Trotz Rente im Alter arm

Gerade einmal 707 Euro monatlich – das ist die durchschnittliche gesetzliche Rente in NRW. Gewerkschaften und Sozialverbände warnen vor Altersarmut, Regierung setzt auf Privatvorsorge

VON ANDREAS WYPUTTA

Von der gesetzlichen Rente allein können immer weniger Menschen leben. Das zeigt eine Studie des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie (Inifes) im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach beziehen Neurentner in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt zwischen 574 (Kreis Borken) und 727 (Erftkreis) Euro Rente monatlich. „Der durchschnittliche Zahlbetrag aller Renten beträgt in NRW 707 Euro, im Bundesdurchschnitt 666 Euro“, bestätigt auch Eva Wüllner, Sprecherin von Landessozialminister Karl-Josef Laumann (CDU).

Besonders niedrig sind die gesetzlichen Renten im ländlichen Raum – und in Teilen des Ruhrgebiets. „Beschäftigte der Land- und Forstwirtschaft erhalten für sehr harte körperliche Arbeit nur geringe Bruttogehälter“, sagt Thomas Zander, Landesgeschäftsführer des Sozialverbands VdK. „Und im krisengeschüttelten Ruhrgebiet haben sich etwa Stahlarbeiter frühverrenten lassen. Beides führt zu geringeren Einzahlungen und entsprechend niedrigen Rentenniveaus.“

Auch die Inifes-Studie bestätigt diesen Trend: Danach gehen Menschen in Herne heute im Schnitt mit 60,1 Jahren, in Düsseldorf dagegen mit 61,9 Jahren in Rente.

Altersarmut sei in Nordrhein-Westfalen dennoch kein Thema, versichert das Düsseldorfer Sozialministerium. „Im Jahr 2003 bezogen bundesweit weniger als zwei Prozent der Über-64Jährigen bedarfsabhängige Fürsorgeleistungen wie Grundsicherung, Sozialhilfe oder Wohngeld“, so Ministeriumssprecherin Wüllner. Auch der „Sozialbericht NRW 2007“, der in Kürze vorgelegt werden soll, zeige, dass die Über-64Jährigen mit 6,8 Prozent noch immer unterdurchschnittlich von Einkommensarmut getroffen werden.

Der Grund: Jeder zweite Rentner, jede zweite Rentnerin bezieht ein Zusatzeinkommen, etwa Zins- oder Mieteinkünfte. Laut „Alterssicherungsbericht 2005“ der Bundesregierung belaufen sich diese derzeit in Westdeutschland auf 371 Euro bei Alleinstehenden und 811 Euro bei Ehepaaren. Mit drei Prozent erstaunlich gering ist dagegen der Anteil der Rentnerinnen und Rentner, die Geld aus privaten Lebens- und Rentenversicherungen erhalten – dabei soll diese Form der privaten Vorsorge künftig unverzichtbar sein (siehe Interview unten).

Staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge wie etwa der Riester- oder Rürup-Rente müsse deshalb für Alle verbindlich zugesichert werden, fordert der Sozialverband VdK. „Die diesjährige Rentenerhöhung von 0,54 Prozent war nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt VdK-Landesgeschäftsführer Zander. „Schließlich hat es in den drei Jahren zuvor keine Anhebung mehr gegeben – und das trotz Mehrkosten für Kranken- und Pflegeversicherung und der Mehrwertsteuererhöhung.“ Kürzungen zu Lasten der Rentner seien „undenkbar“, sagt Zander: „Die gesetzliche Rente wäre sonst nicht ansatzweise existenzsichernd“ – schließlich erwirbt ein Arbeitnehmer heute mit einem Jahresbruttoeinkommen von 30.000 Euro pro Jahr nur gesetzliche Rentenansprüche von gerade einmal 26,13 Euro im Monat.

Nötig sei deshalb eine Anhebung der Lohnniveaus gerade im Niedriglohnsektor, fordern die Gewerkschaften. Auch müssten sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse wie etwa Minijobs abgeschafft werden, so Guntram Schneider, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Nordrhein-Westfalen, zur taz: „Prekäre Beschäftigung muss eingedämmt, anständiges Einkommen gesichert werden. Geringverdiener oder gar Mini-Jobber können nicht privat vorsorgen.“ Zwar gebe es derzeit im größten Bundesland „keine weit verbreitete Altersarmut“, warnt Gewerkschaftschef Schneider. „Aber das kann sich ändern.“