Kein Entkommen

TANZ Im Bunker Lloydstraße suchen drei TänzerInnen in der Performance „FIND THE GAP!“ nach Lücken in einer fremdbestimmten Gesellschaft

Ein Bunker als Ideal-Ort für Fremdbestimmungs-Performances

Ein Großteil unserer Handlungen wird von außen beeinflusst, eingeschränkt oder gar bestimmt. Ob Grenzen, Gesetze oder gesellschaftliche Zwänge – ein vollkommen selbstbestimmtes Handeln scheint unmöglich. Doch auch in einer fremdbestimmten Gesellschaft sollten Lücken zu finden sein, in denen autonomes Handeln verwirklichbar ist. Nach eben diesen Lücken suchen die Akteure der Tanztheaterperformance „FIND THE GAP!“, die unter der Regie von Tim Gerhards im Bunker in der Lloydstraße aufgeführt wird.

Der ehemalige Schutzbunker eignet sich ideal: als klaustrophobischer Ort, aus dem auszubrechen unmöglich scheint. „Zuerst war da das Thema Fremdbestimmung“, sagt Gerhards, „und dafür wollte ich kein Theater, sondern einen beengenden Raum.“

In dieser Enge verharren zwei Tänzerinnen und ein Tänzer apathisch auf ihren Sofas. Sie scheinen zu warten, ohne zu wissen, worauf; bis eine, Da Soul Chung, aus ihrer Erstarrung ausbricht. Zuerst wirken ihre Bewegungen unsicher; dann selbstbewusster, schließlich wagt sie sogar einen Balanceakt auf der Sofakante. Doch am Ende sinkt sie erneut in die Starre zurück. Letztlich gibt es kein Entkommen – überall lauern Erwartungen, Normen und Verordnungen, die vorgeben, wann man sich bewegen, lachen oder weinen darf.

Das kann sich bis ins Groteske steigern, wenn der iranische Ajatollah Ruhollah Chomeini Verhaltensanweisungen für den Sexualverkehr vorgibt. Oder wenn EU-Verordnungen die Krümmung einer Gurke normieren. „FIND THE GAP!“ zitiert diese und andere Texte und arbeitet zugleich mit Selbstverfasstem.

Überhaupt kommt dem gesprochenen Wort eine große Rolle zu, am stärksten jedoch ist die Inszenierung dort, wo der Text verstummt und die Bewegungen in den Vordergrund rücken. Ganz deutlich wird das in der intensivsten Szene des Abends: einem Duett zwischen der Tänzerin Amaya Lubeigt und dem Tänzer Damiaan Veens, das ganz fein zwischen Zärtlichkeit und Brutalität changiert.

Vor den als Mauer aufgetürmten Sofas versucht sich eine Tänzerin aus der Umklammerung ihres Gegenübers zu befreien. Doch immer wenn sie sich für einen Augenblick befreit hat, stößt sie an eine Mauer. Die Lücken für losgelöstes Handeln in einer fremdbestimmten Gesellschaft, so verdeutlicht der Abend, sind klein – letztlich bleibt Autonomie utopisch.  JENS LALOIRE

Sa, 20 Uhr, Lloydstraße 9