Vom Scheitern im Theater

Von den verschiedenen Weisen des Scheiterns in der Liebe: In den Sophiensælen inszenierte Regisseur Stefan Otteni „Du sollst“ nach Erzählungen von Navid Kermani

Vier leicht bekleidete Menschen mittleren Alters, die beiden Männer tragen Unterhosen, die Frauen Slip und BH, winden sich unter Bettdecken hervor. Sie liegen auf etwas, das aussieht wie ein gigantischer, graubraun verschmuddelter Flokati, im Hintergrund eine groß kopierte Version von Michelangelos „Vertreibung aus dem Paradies“. Eine Frau ist blond, die andere braun, einer der Männern ist dick, der andere eher schlank. Die Figuren rollen in verschiedenen Paarkombinationen übereinander und nehmen, dezent angedeutete, Sex-Stellungen ein. Als sie aufhören, sich zu bewegen, fangen sie an zu sprechen, ein Stilmittel, das den Abend über konsequent durchgehalten wird: entweder theatrale Aktion oder Text, beides zusammen gibt’s nicht.

Nacheinander hört der Zuschauer von den verschiedenen Weisen des Scheiterns der Liebe: Eine Frau hat ihren Mann mit seinem besten Freund betrogen, ein Mann sieht beim Sex lieber die Wand als die Partnerin an, eine Frau bringt ihren Lover um, warum, weiß sie nicht, ein Mann befriedigt sich in einer fremden Wohnung selbst, eine Frau hört ihm dabei zu, ein Professor lässt sich von seinem Assistenten befriedigen, der ihn dann in sadomasochistischen Spielen demütigt, wobei auch die Heilige Schrift eine Rolle spielt. Da wenig gespielt wird, wird vor allem erzählt. „Dann hat er gesagt …, dann hat sie gesagt.“ Oder: „Ich habe gemeint …, worauf sie antwortete“ etc.

Laut Pressetext handelt es sich bei „Du sollst“ um die „Uraufführung der Erzählungen“ mit gleichem Titel von Navid Kermani. Eine merkwürdige Formulierung für einen Theaterabend, die die Sache aber – unfreiwillig? – doch ziemlich gut trifft: Tatsächlich kann von einer Bühnenadaption durch den Regisseur Stefan Otteni nicht die Rede sein. Der Ton ist von Anfang an düster gestimmt, nach dem Motto, wir machen hier keine Trivialkacke à la Hollywood, was dann aber nur zu deutschem Beziehungsquark mit Anspruch à la Doris Dörrie führt. Nun ist auch der Erzählband von Kermani nicht durchgehend frei von kunstgewerblicher Angestrengtheit – doch gleichzeitig schreibt kaum jemand so gut über schlechten Sex wie der Kölner Autor. In seinen besten Momenten führt er den Leser dorthin, wo dieser in scheiternden Beziehungen selbst schon mal war, dorthin, wo es wehtut. Auf der Bühne ist davon nichts zu spüren, an diesem Abend, der sich zäh dahinschleppt. „Was macht man eigentlich, wenn es zu Ende ist, aber nicht aufhören will?“, heißt es irgendwann im letzten Drittel der knapp zweistündigen Aufführung. Eine gute Frage.

Eine schöne Szene immerhin gibt es doch. In ihr springen die Schauspieler auf einem hinter dem Flokati liegenden Kunstrasen über einen Wassersprenger wie ausgelassene Kinder im Hochsommer. Im Hintergrund klingt dazu „Halleluja“.

Dass der Kritiker jetzt nicht mehr weiß, ob es Leonard Cohen ist, der singt, Jeff Buckley oder wer auch immer, lässt auf seine Ermüdung schließen, aber die Szene ist schön, besonders schön ist der Schluss, wenn die Bühne endlich leer ist und sich nur noch der Rasensprenger über den grünen Kunstrasen bewegt. Ein gelungenes Bild, aber leider kein gelungener Theaterabend. Das wenig begeisterte Premierenpublikum spendete höflichen Beifall.

MARCO STAHLHUT

Weitere Aufführungen 7., 11., 12., 13., 14., 15. April, Beginn 20 Uhr, Sophiensæle, Sophienstr. 18