Kraftbildungsbrühe

Amüsant und intelligent: die Reihe „Giganten“ (So. und Mo. 19.15 Uhr, ZDF) porträtiert Humboldt, Goethe und Co.

Wahrscheinlich würde er Alexander von Humboldt auch auf die Gerüchte ansprechen, er sei homosexuell; zu offensichtlich sind das Fehlen von Liebesbeziehungen zu Frauen in seiner Biografie und das enge Verhältnis zu seinem mehrfachen Reisebegleiter. Entscheidend ist jedoch, wie er es tun würde: auf die Gero-von-Boehm-Tour nämlich – überaus einfühlsam, aber unerbittlich; genauso wie er in seiner Sendung „Gero von Boehm begegnet …“ schon in die Psychen von Charlotte Rampling, John Malkovich oder Adam Green vorgestoßen ist. Nur: Humboldt ist seit beinahe 150 Jahren tot, lässt sich also noch nicht mal mehr von Gero von Boehm zum Sprechen bringen. Ein Problem? Nicht für Gero von Boehm.

In der insgesamt sechsteiligen ZDF-Reihe „Giganten“ von Gero von Boehm und Günther Klein, die gestern mit von Boehms Film über Ludwig van Beethoven begann und morgen mit seinem Blick auf das Leben des Naturforschers Humboldt fortgesetzt wird (Kleins Goethe-Film folgt am Montag um 19.15 Uhr; Einstein, Freud und Luther im Herbst), legen die Autoren ihren Protagonisten allerhand in den Mund. Zu 80 Prozent sollen es Originalzitate sein – zumindest in den Off-Texten der Schauspieler. In den Dialogen hingegen überwiegt die künstlerische Freiheit der Autoren. „Die Essenz rausköcheln“ nennt von Boehm diese Technik, ein Giganten-Leben auf 60 Minuten einzudampfen. Weglassen ist Pflicht.

Eine Anmaßung, gibt von Boehm zu, „aber so mutig muss man sein. Dieses Vollständigkeits-Ding, das wird nie was“ – zumindest nicht im Fernsehen. Nein, für Historiker ist „Giganten“ nicht gemacht – und das ist eine gute Nachricht. Denn die Reihe liefert kurzweilige und sogar noch intelligente Fernsehunterhaltung. Es ist ein Vergnügen, Matthias Habich (Humboldt) und Rolf Hoppe (Goethe) beim Durchleben, also vor allem Durchleiden von Künstlerbiografien zuzuschauen. Selbst Uwe Ochsenknecht als Beethoven beweist, dass er mehr kann, als seinen Kindern bescheuerte Namen zu geben. Wochenlang sei der Schauspieler mit Ohropax rumgelaufen, erinnert sich von Boehm. „Er hat gesagt, dass man den Kopf anders hält, wenn man nichts hört.“

Ergänzt werden die Spielszenen in bewährter Dokudrama-Manier um Interviewsequenzen mit Experten. Der Erkenntnisgewinn daraus variiert von Aussage zu Aussage. Mitunter hat man den Eindruck, die Befragten sprechen eigentlich eher über sich selbst. Ein Beispiel: „Goethe ist ein Alter, der vor dem Alter flieht.“ Wer hat’s gesagt? Literaturkritiker Hellmuth Karasek, der in seinem jüngsten Buch „Süßer Vogel Jugend oder Der Abend wirft längere Schatten“ seiner Jugend nachtrauert und ansonsten als längst ergrauter Salonlöwe die Panels von TV-Shows dem Ohrensessel vorzieht.

Aber zum Glück lernt man durch „Giganten“ nicht nur was über Hellmuth Karasek, sondern vor allem was über sechs Männer, die Weltbilder verändert haben. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger war der Anspruch der Autoren. Wer noch mehr wissen will, der kann ja Geschichtsbücher lesen. DAVID DENK