Allein im Hamam
: Frühjahrsputz

Hart, aber herzlich schrubbt sie mich ab

Donnerstagabend im April, mein Ausgeh-Abend allein. Kein Kind, keine Arbeit, keine Verpflichtungen. Zum Geburtstag habe ich einen Gutschein fürs Hamam bekommen, inklusive Körperpeeling und Einseifen. Klingt nach entspannt alle viere von sich strecken und sich mal durch die Zeitschriften lesen.

Erst auf dem Weg fällt mir ein, dass donnerstags Kindertag im Hamam ist – das letzte Mal jagten sich zwei reizende, nackige kleine Jungs durch die Traube an reizenden, nackten Frauen, die vor sich hin schnatterten und sich gegenseitig warmes Wasser übergossen. Ein Abend ohne mein Kind, dafür mit Kindern. Herrje.

Die Luft ist lau, das Radfahren so schön wie lange nicht mehr. In Kreuzberg angekommen, sieht es aus, als ob alle Bewohner der Oranienstraße aus ihren Wohnungen auf den Gehweg gezogen wären. Dicht an dicht Stühle, Menschen, Weingläser, Gespräche, Gesten. Lebensgefühl: Italien. Geruch: gegrilltes Fleisch. Im Hamam ist es leer, keine Kinder weit und breit. Wasser auf Körper, schwitzen in der Sauna, dann bin ich dran. „Willkommen“, sagt eine Frau mit warmen Lächeln und Peeling-Handschuhen bewaffnet. Hart, aber herzlich schrubbt sie mich ab, es brennt. Als ich kurz blinzle, wundere ich mich über die schwarzen Grashalme auf meinem Körper. Hat sie einen Zusatz benutzt, Algen, Zweige? Was ist das? „Tote Haut“, sagt die Frühjahrsputzerin und mich schaudert. Dann schwebe ich auf einer weichen Schaumwolke.

„Deine Haut ist jetzt weich wie bei einem Baby“, sagt die Schrubberin und entlässt mich. Ich bin ganz allein im Hamam: Lesen, fläzen, saunieren, Wasser schöpfen. Entspannen. Im Frühling ankommen. Um 11 gehe ich. Draußen ist es so warm wie drinnen. Lebensgefühl: Italien bei Nacht. Geruch: Gras (zum Rauchen, nicht Sitzen). Mein schönster Frühjahrsputz seit Jahren!

MIRIAM JANKE