Etappensieg für WDR-Film

Die Ausstrahlung des Contergan-Films „Eine einzige Tablette“ wird immer wahrscheinlicher: Oberlandesgericht gibt WDR und Produktionsfirma weitgehend recht. Nur zwei Szenen beanstandet

AUS HAMBURG HANNAH PILARCZYK

In der Auseinandersetzung um den WDR-Spielfilm „Eine einzige Tablette“ über den Contergan-Skandal ist erstmalig ein Ende des Rechtstreits abzusehen: Gestern hob das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) die einstweiligen Verfügungen gegen den Zweiteiler weitgehend auf. Damit ist die Ausstrahlung des Films, die eigentlich schon für den vergangenen Herbst angesetzt war, noch nicht sicher, weil zwei weitere einstweilige Verfügungen vorliegen. Diese dürften mit dem gestrigen Urteil aber hinfällig sein. „Wir rechnen fest damit, dass wir Ende Mai mit allen Verfahren durch sind und der Film noch in diesem Jahr gezeigt werden kann“, sagte Mirek Nitsch, Justiziar der Produktionsfirma Zeitsprung, gestern der taz. Beim WDR wollte man mit Verweis auf das noch ausstehende Verfahren keinen möglichen Ausstrahlungstermin nennen.

Der Contergan-Hersteller Grünenthal und der Opferanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen, an dessen Leben sich der Film orientiert, hatten 2006 gegen Zeitsprung und den WDR als ausführenden Sender im vergangenen Jahr geklagt, weil sie in einzelnen Darstellungen schwere Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte sahen. Das Schlafmittel Contergan war in den Fünfziger- und Sechzigerjahren für schwere Missbildungen bei fast 4.000 Kindern verantwortlich. Schulte-Hillen, selbst Vater eines geschädigten Sohnes, war damals als Kläger gegen Grünenthal aufgetreten. Im Film kämpft nun ein Anwalt namens Paul Wegener für die Entschädigung seiner behinderten Tochter.

Zu viel der Übereinstimmung, meinte das Hamburger Landgericht im Juli 2006 und folgte weitgehend der Sicht der Kläger: In einem Aufsehen erregenden Urteil befand der Vorsitzende Richter, dass es sich bei „Eine einzige Tablette“ um einen überwiegend dokumentarischen Film handele und somit strengere Kriterien als für ein fiktionales Werk gelten müssten. Unter anderem hatte Schulte-Hillen bemängelt, dass die Anwaltsfamilie im Film „eine nagelneue TV-Truhe“ zu einem nicht seiner eigenen Familiengeschichte entsprechenden Zeitpunkt erworben hätte.

Gegen das Urteil des Landgerichts legten WDR und Zeitsprung Berufung ein – und bekamen nun ihrerseits vom Oberlandesgericht weitgehend Recht. Ausschlaggebend für die fast diametral anders gelagerte Bewertung des OLG waren zwei Gründe: Zum einen wertete das Gericht den Film als Kunstwerk, „welches nicht den Anspruch erhebt, in allen Details die damaligen Ereignisse dokumentarisch abzubilden“, wie es in der Urteilsbegründung heißt. Zum anderen nahm das OLG den Film und nicht das Drehbuch zur Basis seiner Entscheidung. Das Landgericht hatte aufgrund des Drehbuchs seine Verbote erlassen.

Am Film hat das OLG nun zwei Szenen beanstandet, in denen ein Privatdetektiv im Auftrag von Grünenthal dem Anwalt Wegener hinterherspioniert und ihn mit vermeintlich kompromittierenden Fotos zu erpressen versucht. Zwar habe Grünenthal, so das Gericht in der mündlichen Verhandlung Ende März, tatsächlich einen Privatdetektiv engagiert, derartige Methoden hätte dieser jedoch nicht angewandt. Entsprechende Darstellungen müssten deshalb aus dem Film entfernt werden – laut Justiziar Nitsch durch das Umschneiden zweier Szenen leicht machbar.

Da sich zahlreiche inkriminierte Stellen des Skripts im Film nicht oder geändert wiederfinden, betonte die OLG-Richterin, dass sich Grünenthal und Schulte-Hillen in größerem Umfang durchgesetzt hätten, als dies nunmehr den Anschein habe – was allerdings vor allem der Gesichtswahrung des Landgerichts dienen dürfte. Bei dem sind nun noch zwei einstweilige Verfügungen anhängig, die Grünenthal und Schulte-Hillen gegen den Film angestrebt haben und über die Ende des Monats verhandelt wird. Da das Landgericht kaum riskieren wird, sein Urteil vom OLG einkassiert zu bekommen, dürfte auch dieses Verfahren zugunsten von WDR und Zeitsprung ausgehen.

Grünenthal behielt sich gestern vor, das Urteil des OLG gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht anzufechten.