Ortstermin: Guttenberg ist versenkt, die Gorch Fock schwimmt noch – großer Empfang im Kieler Heimathafen
: Der Albatros hat angelegt

Die beiden älteren Herren stehen mit ihren Gorch-Fock-Mützen und Gorch-Fock-Fähnchen am Tirpitz-Kai in Kiel, kneifen die Augen gegen die Sonne zu und halten Ausschau nach dem weißen Schiff mit den drei Masten, das sich langsam über die Kieler Bucht nähert. Sein Sohn sei an Bord, sagt der eine, seine ganze Familie habe es immer mit der Marine gehalten. Und ja: Seit dieser gewisse Minister weg sei, habe er große Hoffnungen, dass die Gorch Fock als Schulschiff erhalten bleibt. „Einen Kommandanten auf See abzulösen – das tut nicht mal eine Diktatur“, sagt er. Seine Schwiegertochter tritt hinzu, kräuselt die rotbemalten Lippen und entscheidet: „Nicht mehr mit der Presse reden. Die Presse hat der Gorch Fock viel Schlechtes angetan.“

Tatsächlich gab es während der acht Monate dauernden Reise des Segelschulschiffs oft Anlass zu berichten: Nach dem Tod der Kadettin Sarah Lena Seele, die im November aus der Takelage stürzte, war von Schikanen und Druck auf die Offiziersanwärter die Rede, Besatzungsmitglieder sollen kurz nach dem Unfall gefeiert haben. Der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg versprach eine Untersuchung, berief dann aber abrupt Kapitän Norbert Schatz ab und verkündete markig, er wolle die Gorch Fock „an die Leine legen“. Marine-Inspekteur Axel Schimpf mag heute nichts zu Guttenberg sagen, aber klar genug drückt er sich aus: „Die Politik hat das Thema an sich gezogen. Damit kam es auf eine Ebene, in der ich nicht mehr Herr des Verfahrens war.“ Nun ist Guttenberg versenkt, die Gorch Fock schwimmt noch, und Schimpf erklärt: „Sie wird ihren Platz in einer neu gestalteten Marine behalten.“ Der Unfall und die Vorwürfe würden untersucht und aufgeklärt, die Tradition des Segelschulschiffs stehe aber nicht infrage. Mit einiger Wahrscheinlichkeit käme auch Kapitän Schatz zurück: „Er ist gewillt“, sagt Schimpf. Fragen nach dem Unfalltod der Kadettin beantwortet er nicht – das müssten die Berichte liefern. Bis dahin bleibt die Gorch Fock in Kiel im Hafen.

Aber zuerst herrscht Feierlaune, Wiedersehensfreude. Kiel hat für die Gorch Fock bestes Wetter aufgelegt, vor dem blauen Himmel leuchten die gelben Masten wie frisch gestrichen. „Nicht unter Segeln?“, murrt eine junge Frau, die mit dem Rest der Familie ihren Vater von Bord abholen will. Tatsächlich gleitet das Segelschiff mit Motorkraft an den Kai, begleitet von gut 30 Jollen und Yachten. In einer segelt FDP-Fraktionsschiff Wolfgang Kubicki, sein CDU-Kollege Christian von Boetticher empfängt das Schiff an Land – Ehrensache, schließlich ist der Landtag Pate der Gorch Fock. Auch SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig ist da, als Kieler Oberbürgermeister fuhr er auf dem Feuerwehrschiff „Kiel“ im Begrüßungskorso mit. Gut 2.000 Menschen erwarten den Großsegler, winken, fotografieren und umarmen die Besatzungsmitglieder und Kadetten, als die das Schiff verlassen.

Viele erzählen von einer beeindruckenden Reise, Sonnenaufgängen am Kap Hoorn und Seegang in der Magellanstraße. Natürlich sei die Stimmung nach dem tödlichen Unfall getrübt gewesen, sagt der Offiziersanwärter Florian Otremba aus Riesa. Von einer Feier an Bord weiß er nichts: „Das ist an den Haaren herbeigezogen. Die Leute standen unter Schock, sie haben ein Bier getrunken.“ Druck auf die Kadetten habe es nicht gegeben: „Wir wurden immer gefragt, ob wir aufentern wollen, es war immer freiwillig.“ Dass er zu den Letzten gehört, die eine Ausbildung an Bord durchlaufen, glaubt er nicht: Das dürfe nicht sein. Mit einer Handbewegung, die die Gorch Fock vom stilisierten Albatros am Bug bis zum Heck umfasst, sagt er: „Es gibt kein schöneres Schiff.“ESTHER GEISSLINGER