Der Widerspenstigen Zählung

ZENSUS Heute beginnt die Volkszählung: Die Schriftstellerin Juli Zeh sagt im Streitgespräch mit Zensuskommissionschef Gert Wagner, warum sie die Befragung boykottieren will

BERLIN taz | Zum ersten Mal seit 24 Jahren wird in Deutschland das Volk gezählt. 80.000 Zensus-Interviewer schwärmen von heute an aus, um stichprobenartig 10 Prozent der Bevölkerung zu ihren Lebensumständen zu befragen.

Die Schriftstellerin Juli Zeh will sich der Volkszählung verweigern. „Ich weiß, dass ich gesetzlich verpflichtet wäre, zu antworten. Ich werde mich trotzdem verweigern, sollte ich unter den Auserwählten sein“, sagte Zeh in einem taz-Streitgespräch mit Gert C. Wagner, dem Zensuskommissionschef. Auch ein Bußgeld würde sie in Kauf nehmen. „Genauso wenig wie ich will, dass der Nachbar in meinen Schubladen wühlt, will ich mir Fragen stellen lassen müssen, die meinen persönlichen Lebensbereich betreffen.“

Die Schriftstellerin befürchtet, die Daten könnten missbraucht oder gestohlen werden. „Sichere Daten sind deshalb immer nur die, die nicht erhoben werden“, sagte Zeh. Zensuskommissions-Chef Wagner bezeichnete Sorgen wegen eventuellen Missbrauchs der Daten als irrational. „Es geht um Statistik und nicht um Spitzelei“, sagte er der taz. Der Staat brauche bessere Grundlagen für seine Planung.

Wer unter den 10 Prozent zufällig Befragten ist, muss unter anderem Fragen zu Name, Geburtsdatum, Jobs und Nebenjobs, Schulabschluss und Migrationshintergrund beantworten. Nur die Auskunft auf die Frage nach der Religion ist freiwillig. Zusätzlich erhalten alle 17,5 Millionen Immobilienbesitzer Fragebögen zu ihren Wohnungen oder Häusern. Doch auch die zwei Drittel der Bevölkerung, die nicht direkt befragt werden, werden beim Zensus 2011 erfasst. Dafür werden bereits vorhandene Daten aus den Melderegistern und bei der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet.

In der Bevölkerung herrscht offenbar Verunsicherung über die Volkszählung. So berichten die Statistikbehörden von einem Ansturm auf ihre Hotlines. Eine Protestwelle wie bei der Volkszählung 1987 ist allerdings nicht zu erkennen. Schriftstellerin Juli Zeh beklagt eine „unglaubliche Trägheit“ der Bevölkerung. „Denen würde ich am liebsten zurufen: Seid nicht so schlaff!“ WOS

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