Bündnisse, Netzwerke, Bewegungen

Von Herbert Grönemeyer bis Brot für die Welt: Die Gegner des Treffens in Heiligendamm organisieren sich in den unterschiedlichsten Gruppen

1. Die Promis

Die Kampagne „Deine Stimme gegen Armut“ hält sich bewusst raus aus der nervenaufreibenden Koordination mit den anderen Protestgruppen – sie bewegt sich in den Sphären des Showgeschäfts. Gegenüber den anderen Gruppen hat die vom Verband der deutschen Entwicklungsorganisationen Venro getragene Aktion einen entscheidenden Mobilisierungsvorteil: den Promi-Faktor. Bono und Herbert Grönemeyer sind sicher dabei – und auch sonst dürfte alles, was in der deutschen Musikbranche Rang und Namen hat, am 7. Juni in Rostock aufspielen. Die Organisatoren erwarten 50.000 Konzertgäste. Es gilt das Prinzip: Wer zu diesem Konzert kommt, der erhebt auch seine Stimme gegen Armut.

Anders als bei den Live-8-Konzerten zum G-8-Gipfel in Gleneagles vor zwei Jahren, soll in Rostock auch der Süden zu Wort kommen: Dazu werden Menschen aus acht armen Ländern der Welt auftreten, den sogenannten Poor 8. Mit dem Rest des Protests haben die Konzertorganisatoren nicht viel zu tun – trotzdem gelten sie als hilfreiche Mobilisierer. Denn wer extra zum Konzert anreist, der dürfte auch bei der Demo am gleichen Tag mit dabei sein.

2. Die Realo-Radikalen

Wenn es um G 8 geht, bedürfen selbst Sitzblockaden eines gewissen Organisationsgrads. Ein Teil der linksradikalen Szene hat sich daher zu einem losen Netzwerk zusammengeschlossen, der Interventionistischen Linken. Erkennungsmerkmal: Man gibt sich bündnisfähig mit anderen sozialen Bewegungen. Das macht sie zu den Realos unter den Linksradikalen. Ihre Anhänger dürften einen großen Teil der Camp-Bewohner stellen. „Wir machen überall mit“, sagt Koordinator Christoph Kleine, „sowohl bei Großdemo und Gegengipfel, als auch bei den Straßenblockaden.“

Dass die Realos kein Problem damit haben, sich zu organisieren, unterscheidet sie von einem anderen mobilisierungsstarken Teil des linksradikalen Spektrums: Das Dissent-Netzwerk verbindet radikale G-8-Gegner seit den Protesten beim Gipfel in Genua 2001. Dissent-Sympathisanten machen um Bündnispartner wie etwa der Linkspartei und vielen NGOs einen großen Bogen.

3. Die Parteigänger

„Man kann ja auch Gutes tun, ohne darüber zu reden.“ So sieht Steffen Bockhahn, der stellvertretende Landesvorsitzende der Linkspartei Mecklenburg-Vorpommern, die Rolle seiner Partei in den G-8-Protesten. Für die vor allem im Westen verwurzelte Protestbewegung ist die Mitarbeit der alten Ostpartei unverzichtbar: Peinlich leer könnten die Rostocker Straßen ohne die Demo-Mobilisierung der PDS-Anhänger aussehen. Gleichzeitig hilft die Partei mit Geld und Infrastruktur: 50.000 Euro Zuschuss von der Bundespartei, gratis kopieren und telefonieren beim Landesverband.

Doch dieses Engagement muss möglichst dezent aussehen. Allein der Anschein, man wolle das Bündnis dominieren, würde kirchliche oder linksradikale Partner verschrecken. Die zweite Herausforderung: Die radikalen Partner setzen auf Blockaden, die PDS-Wähler vor Ort schreckt das eher ab. Man einigte sich auf eine Kompromissformel: „Alles, was friedlich ist, hat unsere Zustimmung“, sagt Bockhahn.

Die Grünen, die im Nordosten nur sehr schwach verankert sind, wollen auch zur Demonstration am 2. Juni mobilisieren – allerdings mit einem eigenen Aufruf. Den gemeinsamen Aufruf, den ein Drittel der Veranstalter unterzeichnet hat, lehnt die Grünen-Spitze als zu radikal ab.

4. Die Gegenexperten

Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind wichtig für das Image des Protests. Sie sind für die konstruktive Kritik zuständig und engagieren sich stark beim Alternativgipfel, der parallel zum Treffen der G 8 in Rostock stattfindet. Dort sollen Themen wie Klimagerechtigkeit, Bildung oder die strukturellen Hintergründe von Migration diskutiert werden.

40 Organisationen, darunter Greenpeace, der BUND, erlassjahr.de und Brot für die Welt, haben sich zur so genannten NGO-Plattform zusammengeschlossen und auf eine gemeinsame Position zum G-8-Gipfel geeinigt. Darin stellen sie konkrete Forderungen an die Regierungen: von der Senkung der Treibhausgase um 30 Prozent über die Erhöhung der Entwicklungshilfe für Afrika bis zu einer neuen Energiepolitik für die Weltbank. Die Gegenexperten aus den NGOs kennen die Agenda der internationalen Politik und setzen auf inhaltliche Fortschritte.

5. Die Vernetzer

Die Aktivisten von Attac machen überall mit – und halten so das Bündnis zusammen. „Attac hat eine Scharnierfunktion“, sagt die Sprecherin des Netzwerks, Frauke Distelrath. Attac versteht sich sowohl mit den Radikalen als auch mit den NGOs.

Kein Wunder: Nicht wenige Mitglieder der Führungsebene haben Doppelrollen. Sie engagieren sich in der Interventionistischen Linken, verdienen ihr Geld bei der Linkspartei oder werden von NGOs in den Attac-Koordinierungskreis entsandt. Bei so viel Vielfalt finden sich die meisten Konflikte, die die Bewegung austrägt, auch innerhalb von Attac wieder – mit teils kreativen Kompromisslösungen.

So beteiligt sich zum Beispiel Attac als Organisation nicht am Aufruf zu Straßenblockaden rund um den G-8-Gipfel. Als Privatpersonen mischen sieben von sechzehn Mitgliedern der Attac-Führung trotzdem mit.

NIKOLAI FICHTNER