Nicaraguas Präsident kauft Kritiker

ZEITUNG Erst trieb Daniel Ortega die „El Nuevo Diario“ in die Krise, jetzt übernimmt er sie

Nicaraguas regierungskritische Zeitung El Nuevo Diario wird verkauft – an den Politiker, den sie in den vergangenen Jahren kritisiert hat. Der stellvertretende Chefredakteur Francisco Chamorro bestätigte Verhandlungen mit dem Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo. Das Blatt sei in einer Liquiditätskrise, sagte Chamorro. Eines sei klar: „Jeder Besitzerwechsel hat einen Wechsel der politischen Ausrichtung der Zeitung zur Folge.“

Seine mutmaßliche Neuerwerbung hat Ortega selbst in die Krise getrieben. Zeitungen leben in Nicaragua von staatlichen Anzeigen. El Nuevo Diario aber wurde von der Regierung übergangen. „Außer der Lotteriegesellschaft hat keine öffentliche Institution bei uns annonciert“, sagt Chamorro.

Redakteure sagen, der Deal sei längst sicher, man warte nur mit der Unterschrift unter dem Vertrag, bis der Skandal um den Verkauf abgeklungen sei. Die ehemaligen Guerilla-Kommandanten Tomás Borge und Bayardo Arce – enge Freunde der Ortegas – haben sich bereits zwölf Prozent der Aktien gesichert.

Ortega rundet damit zum Wahlkampf im November sein Medienimperium ab. Einen Fernsehsender und mehrere Radiostationen kontrolliert er bereits über die sandinistische Partei. Nur eine Zeitung fehlte ihm. Das Parteiblatt Barricada hatte er Anfang 1998 eingestellt, nachdem es ihm zu unabhängig geworden war.

El Nuevo Diario war 1980 von Journalisten des Traditionstitels La Prensa gegründet worden, nachdem dieser auf einen Konfrontationskurs zur sandinistischen Revolution getrimmt worden war. Das gemäßigte Boulevardblatt hat die Revolution lange solidarisch begleitet. Es blieb aber stets unabhängig und hat in der jetzigen zweiten Amtsperiode Ortegas gegen dessen selbstherrlichen Regierungsstil polemisiert. C. Romero, T. Keppeler