Verbrechensbekämpfung ohne Grenzen

EU-Staaten arbeiten häufiger zusammen – und umgehen öfter Parlaments-Kontrollen

BRÜSSEL taz ■ Ein Lkw-Fahrer, der auf seinen Touren quer durch Europa vermutlich 19 Prostituierte ermordet hat, ist ein klarer Fall für Eurojust. In der Runde aus Vertretern der Strafverfolgungsbehörden aller 27 Mitgliedsstaaten kann geklärt werden, wer die Federführung bei den Ermittlungen übernimmt und in welchem Land Anklage erhoben werden soll. Die Vorteile liegen auf der Hand: Ermittlungserkenntnisse werden gebündelt und Schlupflöcher für Kriminelle geschlossen.

Nach sechsjährigem Bestehen kann Eurojust darauf verweisen, dass die Zahl der gemeinschaftlich behandelten Fälle jährlich um ein Drittel steigt. 2007 werden es vermutlich 1.000 Akten sein, über die sich Staatsanwälte aus allen Mitgliedsstaaten in ihren regelmäßigen Treffen in Den Haag beugen. Justizkommissar Franco Frattini gibt sich damit aber nicht zufrieden. Die Zusammenarbeit zwischen Eurojust und der polizeilichen Ermittlungsstelle Europol müsse enger werden, forderte er gestern. Die Mitgliedsstaaten sollten öfter auf gemischte Ermittlungsteams aus mehreren Ländern zurückgreifen, um grenzüberschreitende Kriminalität wirksamer bekämpfen zu können.

Staaten, denen es nicht schnell genug vorangeht, haben sich zwischenzeitlich außerhalb des EU-Rechtsgefüges in eigenen Clubs zusammengetan. Die sogenannten Prümer Vertragsstaaten Deutschland, Spanien, Frankreich, Finnland, Österreich und Benelux schlossen im Mai 2005 einen Vertrag über engere grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung. Weitere Länder wie Italien meldeten Interesse an. Der Vorteil: Der mühsame Entscheidungsprozess in den EU-Gremien wird umgangen. Der Nachteil: EU-Kommission und Parlament sind nicht eingebunden, die Verhandlungen finden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der zurzeit den Vorsitz im Innenministerrat führt, will bis Ende Juni erreichen, dass alle EU-Staaten dem Prümer Vertrag beitreten. Die Politologin Daniela Kietz warnte bei einer Konferenz in Brüssel davor, dass bei einem solchen Verfahren demokratische Grundprinzipien und Datenschutz auf der Strecke bleiben. Ein international geschlossener Vertrag könnte zum Beispiel die Vernetzung von Fingerabdruckdateien ermöglichen, bevor die innenpolitische Diskussion darüber in Deutschland abgeschlossen ist. DANIELA WEINGÄRTNER