„Atommüll unter offenem Himmel“

WLADIMIR SLIVJAK, 33, ist Vorsitzender der Umweltschutzorganisation Ecodefense in Russland

taz: Herr Slivjak, Ihre Organisation Ecodefense wird heute auf der RWE-Hauptversammlung sprechen. Warum beschäftigen Sie sich mit RWE?

Wladimir Slivjak: RWE ist beteiligt an der Firma Urenco, dem Betreiber der Urananreicherungsanlage in Gronau. Urenco schickt immer wieder radioaktiven Abfall nach Russland. Das ist nach unseren Umweltgesetzen verboten. In Russland wird der Abfall an vier Standorten gelagert, unter anderem bei Tomsk und bei Irkutsk am Baikalsee. Dort lagert das Material teilweise unter offenen Himmel. Das gefährdet die Umwelt und die rund vier Millionen Menschen, die in der direkten Umgebung leben.

Wie kann ein großer Konzern wie RWE einfach russisches Recht brechen?

Das fragen wir uns auch. Das werden wir heute auf der Hauptversammlung ansprechen.

Haben Sie Beweise?

Wir haben Satellitenbilder von den Lagerstätten ausgewertet. Darauf konnten wir sehen, dass einige hundert Container ohne Schutz herumstehen. Die russischen Behörden haben die Lieferungen bestätigt. Es gibt ein Abkommen zwischen Urenco und Russland, wonach das Uran in Russland weiter angereichert werden darf. Es ist allerdings schwierig, herauszufinden, wie viel tatsächlich angereichert und zurückgeschickt wird. Wir schätzen, dass von den Lieferungen etwa 90 Prozent hierbleiben.

Wie reagieren die russischen Behörden darauf?

Im Sommer 2006 hat der Parlamentsvorsitzende der Region Sankt Petersburg, wo die Uranfässer im Hafen ankommen, öffentlich den Stopp der Lieferungen gefordert. Die russische Atomaufsichtsbehörde hat nach unseren Protesten zugesagt, sich die Lieferverträge anzuschauen.

Was erwarten Sie von RWE?

Wir wollen endlich wissen, was in den Verträgen zwischen Urenco und Russland steht.

INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER