nofretete, museen etc.
: Risse im Gips

„Für uns ist das keine juristische, sondern ausschließlich eine moralische Frage“, sagt die Kulturwissenschaftlerin Anja Kuhr vom Verein CulturCooperation in Hamburg. Mit der Kampagne „Nofretete geht auf Reisen“ fordert der Verein eine Ausleihe der Nofretete in ihr Heimatland und hat damit einen Presserummel ausgelöst. Das Ägyptische Museum Berlin, in dessen Eigentum sich die Büste befindet, äußert Bedenken gegen eine Ausleihe.

Den Initiatoren geht es dabei nicht um eine Diskussion der Besitzrechte des Museums, sondern um „Fairness“. Der von der EU-Kommission teilfinanzierte Verein will eine allgemeine Debatte über den Umgang mit Kulturgütern aus Afrika, Asien oder Lateinamerika anregen. Es gebe rund 100 offizielle Rückgabeaufforderungen. Fast immer handelt es sich dabei um besonders prominente Objekte. Die Kampagne um Nofretete ist nur ein Teilprojekt des Vereins.

Das Ziel ist zunächst die Ausstellung der Büste in ihrem Heimatland. „Es kann nicht angehen, dass junge Ägypter extra nach Deutschland reisen müssen, um ein derart wichtiges Kulturgut ihrer eigenen Geschichte sehen zu können“, sagt Anja Kuhr, Geschäftsführerin des Vereins.

Doch Prof. Dr. Dietrich Wildung, Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, ist verwundert, dass „diese Kampagne so aus dem Nichts auftaucht“. Eine offizielle Anfrage, die Nofretete in Kairo auszustellen, gebe es aktuell überhaupt nicht. Davon abgesehen hält Wildung eine Reise der 3.000 Jahre alten Königin schon aus konservatorischen Gründen für nicht möglich. „Wir wissen heute, dass die Büste aus einem Kalksteinkern besteht, der mit Gips überzogen und dann bemalt ist. Die Nahtstelle zwischen Gips und Stein ist sehr fragil. Erschütterungen könnten zu Brüchen führen.“ Die Kontakte sowohl zu Sahi Hawass, dem Generalsekretär der Antikenverwaltung, als auch zu der Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo, Wafaa al-Saddik, seien gut, eine Kommunikation über Kampagnen und Massenmedien unnötig. Die jüngste dokumentierte „Anfrage“ nach einer Leihgabe der Nofretete für eine Ausstellung ist Wildung zufolge „nur eine diplomatische Antwort der Museumsdirektorin al-Saddik auf eine Anfrage von Journalisten der Bild-Zeitung“. Zumindest Hawass scheint die Gunst der Stunde nutzen zu wollen. Er hat nun angekündigt, eine Ausleihe zu beantragen. Sollte ihr nicht stattgegeben werden, droht er mit einer offiziellen Rückforderung der Büste. Wildung jedoch sieht Nofretetes Funktion als Ägyptens „Ständige Vertreterin“ in Deutschland. „Sie ist ein Paradebeispiel für den Dialog der Kulturen. Sie ist hier integriert, ohne ihre Identität als Andere jemals aufgegeben zu haben.“

Das Anliegen der CulturCooperation ist berechtigt. Doch bleibt die Frage, ob sich der Verein mit der Nofretete wirklich das richtige Objekt ausgewählt hat. CLAUDIA WENTE