Polizeiarzt soll doch schuld sein

BRECHMITTELPROZESS Staatsanwältin fordert neun Monate auf Bewährung: Der mutmaßliche Dealer sei ertrunken, weil sich der Mediziner in erster Linie als Helfer der Polizei verstand – und nicht als Arzt

„Wäre die Exkorporation abgebrochen worden, hätte sich der Tod vermeiden lassen“

Staatsanwältin Sandra Peitsch

Der Polizeiarzt Igor V. ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nun doch für den Tod des mutmaßlichen Drogendealers Laya Condé verantwortlich. Dieser starb am 7. Januar 2005, nachdem ihm V. zwölf Tage zuvor über eine Magensonde zwangsweise Brechmittel und literweise Wasser eingeflößt hatte. Staatsanwältin Sandra Peitsch plädierte gestern in der Neuauflage des Verfahrens vor dem Bremer Landgericht für eine Bewährungsstrafe von neun Monaten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.

„Ich bin freudig überrascht, dass die Staatsanwaltschaft dieses Mal zu ihrer Anklage steht“, sagte Rechtsanwältin Elke Maleika, welche die Mutter Condés als Nebenklägerin vertritt. Wichtiger als das Strafmaß sei das „Signal“ einer Verurteilung.

Noch Ende 2008, im ersten Verfahren, hatte die Anklage einen Freispruch V.s gefordert, weil sie die Todesursache als ungeklärt ansah. Diese Einschätzung revidierte sie nun. Sowohl eine Herzvorschädigung Condés als auch eine Vergiftung schieden aus. Entsprechende Anzeichen dafür fehlten, diesbezügliche Einlassungen mancher Sachverständiger seien „nicht überzeugend“, so Peitsch. In jeder Hinsicht plausibel sei vielmehr, dass Condé im Zuge der qualvollen Prozedur Wasser in die Lunge bekam und daran ertrank.

Dem Polizeiarzt V. warf Peitsch vor, klare Dienstanweisungen und grundlegende berufsständische Prinzipien missachtet zu haben. Schon am Anfang habe er keine ausreichende Risikoaufklärung Condés vorgenommen und diesen nicht wie vorgeschrieben untersucht. Als dieser dann erstmals nicht mehr ansprechbar war, habe V. zwar den Notarzt gerufen, bis zum Eintreffen der Sanitäter aber noch nicht einmal „einfachste Notfallmaßnahmen getroffen“. V., unterstrich Peitsch, sei keinem Druck ausgesetzt gewesen und hätte spätestens nach dem Einsatz des Notarztes jeden Anlass gehabt, die Prozedur zu beenden. „Wäre die Exkorporation zu diesem Zeitpunkt abgebrochen worden, hätte sich der Tod vermeiden lassen.“ V. dagegen habe die Reglosigkeit und enge Pupillenstellung des Gefesselten als „Schauspielerei“ abgetan, „selbst einfachste Untersuchungen erfolgten nicht“. Stattdessen habe er Condé erneut Wasser eingeflößt und dessen Erbrechen „forciert“, unter anderem, indem er dessen Zäpfchen mit Holzspatel und Pinzette gereizt habe, was Peitsch als „vorsätzliche Körperverletzung“ wertete. Condé fiel kurz darauf ins Koma, er ertrank.

Das Landgericht hatte V. 2008 mit der Begründung freigesprochen, er habe nicht erkennen können, in welcher Gefahr Condé schwebte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil schließlich auf. Peitsch betonte gestern, dass V. über „sehr gutes theoretisches Wissen und gute praktische Erfahrung verfügte“. Ein Arzt, der sich nicht auskenne, dürfe eine Behandlung zudem gar nicht übernehmen, zitierte sie den BGH. V.s Fehler in ihren Augen? Er hätte „nicht als verlängerter Arm einer Strafermittlungsbehörde, sondern zuallererst als Arzt“ handeln müssen.

V. schwieg wie schon das ganze Verfahren. Verteidigung und Nebenklage wollen am Dienstag ihre Plädoyers halten. SIM