Ein Fall von der BAgIS

Der allein erziehende Vater M. und sein Sohn können nicht länger auf 16 Quadratmetern leben, sagt das Jugendamt. Die BAgIS lehnt die neue Wohnung ab – die derzeitige sei „preislich angemessen“

Von Klaus Wolschner

BAgIS, das heißt auf deutsch: „Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales“. Der Name ist grob irreführend. Ein dramatisches Beispiel für die unsoziale Arbeitsweise der Arbeitsgemeinschaft ist der Fall Kevin gewesen – die BAgIS hatte dem Ziehvater des Kindes komplett die Hartz IV-Bezüge gestrichen. Das war eine Katastrophe für den Ziehvater, der plötzlich ohne Geld dastand. Der Ziehvater musste vor Gericht um seinen Lebensunterhalt streiten – das war im Frühsommer 2006, also die Zeit, die Kevin nicht überleben sollte.

Die BAgIS hat aus dem Fall nicht gelernt. Das zeigt der Fall M. (*) Herr M. sitzt in einem 16-Quadratmeter-Raum hoch über der Diskomeile – direkt gegenüber des Stubu. Von seinem Balkon aus hat er die Schießerei mitbekommen, damals. „Musik habe ich jetzt nicht mehr so oft“, sagt er sarkastisch – er meint die grölenden Jugendlichen nachts um vier. An der Diskomeile muss man auch in 16 Quadratmetern bei geschlossenem Fenster schlafen.

In dem kleinen Raum steht eine Küchenecke, ein Kühlschrank, Fernsehen, zwei Betten – denn M. lebt da mit seinem inzwischen 7-jährigen Kind. Es gibt einen winzigen Vorraum mit Tür zum Bad, keinen Keller. Alles muss also auf den 16 Quadratmetern verstaut werden – Küchenvorräte, Spielzeug, schmutzige und saubere Wäsche.

Unzumutbar, sagt das Jugendamt. „Seit vier Jahren“ sei es ein „wichtiges Ziel der Maßnahmen, eine geeignete Wohnung zu finden“. Insbesondere weil der Junge eine „tiefgreifende Entwicklungsstörung“ habe, er besucht die Fritz-Gansberg-Schule. Die Familienhilfe ist eingeschaltet. Für die Entwicklung des Kindes sei ein eigenes Kinderzimmer dringend erforderlich, sagt das Jugendamt. Der Autismus des Kindes ist so stark, dass die Betreuung im Grunde rund um die Uhr erforderlich ist. Die Alternative wäre ein Heim. Aber der Vater, von Beruf früher einmal Schlosser, sorge „hervorragend“ für das Kind sorgt, attestiert das Jugendamt. Wo ist die Mutter? Die „hat es sich leicht gemacht“, sagt M., ist weg – das Gericht habe ihm das Sorgerecht zugesprochen.

Nun hat M. eine neue Wohnung – die Wohnungshilfe hat sie ihm angeboten, 290 Euro Kaltmiete. Aber die BAgIS lehnt ab. Begründung: „Die jetzige Wohnung ist preislich angemessen.“ Das Jugendamt interveniert, schreibt an die BAgIS. Die BAgIS reagiert, bittet den Vater, „umgehend“ bei der „Zentrale Fachstelle Wohnen“ vorzusprechen, auch eine Behörde. Die „Fachstelle“ drückt M. ein paar Adressen in die Hand und schickt ihn auf den freien Wohnungsmarkt zurück – dahin, wo er seit Jahren vergeblich sucht. Die von der Wohnungshilfe angebotene Zwei-Zimmer-Wohnung, so teilte die Zentrale Fachstelle mit, die dürfe er nicht bekommen. Er erfülle die Voraussetzungen nicht, sei nicht drogen- oder alkoholabhängig.

Das sei er wirklich nicht, sagt M., und bisher ahnte er nicht, dass das ein so schwerer Nachteil ist. Er sammelt die Briefe der verschiedenen Behörden in einem grauen Umschlag. „Der Mann vom Jugendamt hat mir erklärt, ich falle durch ein politisches Loch“, sagt er.

(*) Name von der Red. geändert