Die Kartoffel, die fast keiner mag

Im Norden Brandenburgs will BASF in den nächsten Wochen die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora aussähen. Die meisten Anwohner und Landwirte halten davon wenig. Doch verhindern lässt sich die Aussaat wohl nicht mehr

Im nordbrandenburgischen Perleberg herrscht Ratlosigkeit. 80 der geplanten 150 Hektar Anbaufläche für die Vermehrung der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora liegen im Gemeindegebiet. Der Widerstand dagegen ist groß. Die Stadtverordneten wollen die Kartoffel nicht, weil sie dem Tourismus schade. Die Stärkefabrik im benachbarten Karstädt braucht sie nicht, weil es vergleichbare konventionelle Sorten gibt. Und selbst weite Teile der Bevölkerung sind skeptisch. Trotzdem wird die Amflora wohl ausgesät werden.

Die Zulassung der Kartoffel des Herstellers BASF für den kommerziellen Anbau ist nur noch eine Frage der Zeit. Noch im Dezember hatte der Europarat diese noch verweigert, weil die Veränderung des Stärkegens mit einer Antibiotikaresistenz einhergeht. Doch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa hat dies nun wider Erwarten als unbedenklich eingestuft.

Wochenlang war die Amflora in Perleberg Stadtgespräch, mehrheitlich geprägt von Unbehagen. Nur wenige Bürger sind für den Anbau. Dies zeigte sich etwa bei einer Veranstaltung mit 150 Besuchern, zu der die Stadt unlängst einlud. Die BASF-Sprecherin hatte ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt. Argumente pro Genkartoffel kamen so nur von einigen Landwirten; etwa von Hartmut Lossin, Stärkekartoffelgroßbauer und Kreistagsabgeordneter für den Bauernverband. Für ihn ist Gentechnik eine Technik wie jede andere, die Gegner hält er für rückständig.

Sein Gegenspieler im Landkreis, Reinhard Jung vom katholischen Bauernbund, meint hingegen, Gentechnik brauche nur, wer keine Ahnung vom Ackerbau hat. Er ärgert sich auch über die Ökos, die Gesundheitsrisiken und Ethik gegen wirtschaftliche Interessen in Stellung bringen. „Völlig falsch“, sagt er, „die Unwirtschaftlichkeit der Gentechnik ist das stärkste Gegenargument neben der Unterjochung der Bauern durch die Konzerne.“

Die meisten Landwirte wollen sich die Option offen lassen, sagt die Agraringenieurin Martina Bartels. 2003 war sie an dem Versuch beteiligt, den Prignitzer Teil des Biosphärenreservats Elbtalaue zur gentechnikfreien Zone zu deklarieren. Nur für 25 Prozent der Nutzfläche gab es Erklärungen, ein Jahr lang auf Gentechnik zu verzichten. „Das funktioniert nur, wenn es für die Landwirte attraktiv ist“, so Bartels. Eine Studie der Uni Kiel gibt ihr Recht. Danach spielen mehrheitlich ökonomische Gesichtspunkte und die Akzeptanz der Nachbarn eine Rolle bei der Entscheidung. In der Prignitz soll es nun einen neuen Anlauf für eine gentechnikfreie Zone geben.

Derweil hat die Stadt Perleberg den Anbau der Genknolle Amflora auf städtischem Boden untersagt. Eine große, aber rein symbolische Geste, denn betroffen ist nicht mehr als ein halber Hektar untergepflügter Gemeindeweg, auf den der Pächter verzichten muss.

BASF wähnt sich derweil auf der Zielgeraden. Um sicher zu gehen, dass die Knolle noch in diesem Monat in die Erde kommt, hat man parallel zur Marktzulassung in Brüssel erneut die Freisetzung zur Erprobung beim Bundesamt für Verbraucherschutz beantragt. Dagegen sind zwar 2.215 Einwände bei der Behörde eingegangen – nicht nur aus der Prignitz, auch aus dem benachbarten Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern, wo BASF die anderen Flächen unter Vertrag hat.

Auch das Potsdamer Landwirtschaftsministerium hat ablehnend Stellung bezogen. Trotzdem rechnet man hier in den nächsten Tagen mit der Pflanzgenehmigung durch die Bundesbehörde. Die Marktzulassung aus Brüssel muss dann bis zur Ernte der Saatkartoffeln da sein, damit sie kommerziell für die Stärkeindustrie angebaut werden können. BEATE SELDERS