Entgrünt, das Grün der Alster

BIODIVERSITÄT Naturschützer beanstanden die „Entstrauchung Hamburgs“ und damit einen Verlust der Vielfalt an Baum und Busch in der Stadtnatur

Zuerst kamen die beiden Rotdornbüsche weg. Es dauerte nicht lange und dann blieben auch die Spatzen weg. Matthias Preuß weiß viele Beispiele zu nennen für den schleichenden Verlust an spontaner Natur, den er seit Jahren in Hamburg beobachtet. Um sich dagegen zu stellen, macht er in der Projektgruppe Stadtnatur Hamburg mit. Im Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt 2010 gegründet, sieht sich die Gruppe nicht nur als Initiative, die für einen naturnahen Park am Isebek-Kanal in Eimsbüttel eintritt, sondern als Forum für jene Menschen, die sich für den „Schutz ihres Grüns vor weiterer Zerstörung“ einsetzen wollen.

Einer von ihnen ist der promovierte Geologe Harald Duchrow, der eine Art Chronist ist für die, wie er selbst schreibt, „Ausräumung der Stadtvegetation in Hamburg“. Mit unzähligen Fotos dokumentiert Duchrow die Abholzungen in der Stadt, etwa im Gählerpark zwischen Thaden- und Holstenstraße, im Grünzug Eimsbüttel zwischen Apostel- und Christuskirche, auf dem Gelände der Gartenschau in Wilhelmsburg oder am Alsterwanderweg in Wellingsbüttel.

Es ist dabei nicht nur der Verlust an Bäumen, den Duchrow beklagt, und den der Umweltverband BUND auf 6.000 pro Jahr schätzt. Es ist vor allen Dingen das, was Duchrow „Entstrauchung“ nennt. Im Niveau der unteren fünf bis zehn Meter über dem Erdboden liege der Schwerpunkt der Vegetationsausräumung. „Zurück bleiben Grünzüge, die mit ihrem von jeglichem Wildwuchs befreitem Kurzrasen zwar der seit Schill verfolgten Ordnungspolitik der Stadt entsprechen, die aber im Sinne des Naturschutzes eine ökologische Wüste darstellen“, sagt Duchrow. Der Senat entwerte ganze Grünzüge, indem er im Rahmen seiner „Qualitätsoffensive Freiraum“ heimische Sträucher roden lasse, kritisiert Preuß.

Die Entwicklung zum wildkräuter- und strauchfreien Kurzrasen kann auch die Biologin Barbara Engelschall beobachten. Als Mitglied des Freundeskreises des Jenischparks versucht sie den parkfremden Gärtnern in Schulungen zu vermitteln, dass sie eine Wiese nicht bis unter die Gehölzkante abmähen sollten. Sie plädiert für eine „Kommunikation für die Wildnis“, dafür dass den Besuchern von Grünanlagen klargemacht werde, dass eine Wildwiese nichts mit Unordnung oder unterlassener Arbeit zu tun habe.

Ein Umdenken zu mehr spontaner Natur in der Stadt versucht auch die Gruppe Stadtnatur des Naturschutzbundes mit Aktionen voranzubringen. So sammelt das Projekt „100mal für Hamburgs Stadtnatur“ Beispiele, wie sich Hamburger im Kleinen für Vielfalt einsetzen können. Der Nabu organisiert auch regelmäßige Aktionen wie die Bachaktionstage, bei denen sich Hamburger ehrenamtlich für die Natur und gegen den Trend der Entgrünung einsetzen können.  DAH