Schulden nur bei Flut

Landesregierung unterliegt vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Haushalt 2005 ist nicht mit dem Gesetz vereinbar. NRW darf nur hohe Schulden machen, wenn eine Naturkatastrophe hereinbricht

VON MARTIN TEIGELER

Die schwarz-gelbe Koalition hat beim Schuldenmachen geschlampt. Das oberste Gericht des Landes in Münster erklärte gestern wesentliche Teile des NRW-Haushalts 2005 für verfassungswidrig. Die damals neue Landesregierung hätte mit der Neuverschuldung die Summe der Investitionen nicht um 1,43 Milliarden Euro überschreiten dürfen, sagte der Vorsitzende des NRW-Verfassungsgerichts, Michael Bertrams. Ausnahmen dürfe es höchstens bei einer Naturkatastrophe oder bei einem größeren Unglücksfall geben. „Das liegt nicht bei einem Regierungswechsel vor“, sagte er.

NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) nahm den Richterspruch gelassen auf – zur Urteilsverkündung war er nicht nach Münster gereist. „Ich bedauere die Entscheidung, aber natürlich akzeptiere ich die Auslegung der verfassungsrechtlichen Normen durch das Gericht“, sagte der Ressortchef. Direkte Konsequenzen hat das Urteil ohnehin nicht, bestätigte ein Verfassungsgerichtssprecher gestern auf taz-Nachfrage: „Der Haushalt 2005 ist ein abgeschlossener Vorgang.“

Letztlich ging es in dem Rechtsstreit vor allem um die Frage, wie Linssen die hohe Verschuldung im zweiten Nachtragsetat 2005 begründet hatte. Der Minister wählte damals die Formulierung der „objektiven Unmöglichkeit“, um die Extraschulden zu erklären. Kurz nach dem Machtantritt hatte Schwarz-Gelb mit dieser Formulierung auf die dramatische Gesamtverschuldung von 110 Milliarden Euro nach 39 Jahren SPD in NRW hinweisen wollen – diese politische Ausrede wurde nun vom Gericht als unzureichend einkassiert.

„Mit dem heutigen Urteil ist diese Erblastausrede ein für alle Mal vom Tisch“, sagte gestern SPD-Etatpolitikerin Gisela Walsken. Die Sozialdemokraten hatten in Münster geklagt – sie sehen sich als Sieger. Das Urteil werde auch über die NRW-Grenzen hinaus Bedeutung haben, sagte Walsken, da auch die CDU-Regierungen in Niedersachsen und Hessen eine Haushaltspolitik des „angekündigten Verfassungsbruchs“ betrieben hätten.

Die Koalition dagegen reklamiert den moralischen Sieg. „Der ehrbare Kaufmann Helmut Linssen hat sich bewährt“, sagte CDU-Haushälter Volkmar Klein. So habe das Gericht die Vorsicht des Ministers bei der Schätzung der Steuereinnahmen verteidigt. Ohnehin stehe die CDU seit ihrem Regierungsantritt für eine strenge Sparpolitik. NRW drängt bei den Verhandlungen über die Föderalismusreform II auf härtere Grundgesetz-Regeln gegen Schulden.

Grünen-Finanzexperte Rüdiger Sagel sieht deshalb Widersprüche in der Politik Linssens. „Es ist geradezu absurd, dass insbesondere die CDU mit ihrem Finanzminister die bestehenden Verfassungsregeln zur Begrenzung der Schuldenpolitik für nicht ausreichend hält“, sagte der Abgeordnete. Wenn CDU und FDP nach neuen Gesetzen riefen und die alten nicht einhielten, machten sie sich unglaubwürdig.