Suchthilfe selbst gemacht

DROGEN Sein halbes Leben hat Klaus Krause Heroin gespritzt, bis er die Sucht besiegte – durch kalten Entzug. Er wünscht sich bessere Betreuung von Abhängigen und hilft mittlerweile in einem Hamburger Suchthilfe-Projekt

Um nicht langfristig substituiert zu werden, verzichtete er auf ambulante Hilfe

VON VIVIANE PETRESCU

Aus Lust am Kick fing Klaus Krause mit 14 Jahren an, zu spritzen. Erst Morphium, später Heroin. Heute ist er 54 und seit vier Jahren clean. „Opiate waren dreißig Jahre meine Geliebte“, sagt er. Damit sich seine Sucht nicht steigerte, entgiftete er regelmäßig selbst. Dann schloss er sich tagelang ein und machte einen kalten Entzug.

Seine Erfahrungen mit dem Konsum von Drogen und dem eigenständigen Weg aus der Sucht gibt er jetzt als Sozialarbeiter in einer Suchthilfe-Werkstatt in Hamburg an andere Abhängige weiter, die auch ihm beim Ausstieg half. Außerdem kann der Bootsbauer wieder arbeiten, das war früher kaum möglich.

Obwohl die völlige Abstinenz damals noch nicht sein Ziel war, blieb Selbsthilfe Krauses erster Schritt aus der Sucht. Auch in der wissenschaftlichen Betrachtung von Suchttherapie rückt Selbstheilung immer stärker in den Fokus. Bei den Hamburger Suchttherapietagen im Juni ist sie das Schwerpunktthema. Dabei geht es aber vor allem um Zigaretten und Alkohol.

Bei harten Drogen kann der Entzug ohne ärztliche Betreuung lebensgefährlich sein, denn der Körper reagiert mit Krampfanfällen oder Delirium. Bleibt die Frage, wieso trotzdem ein großer Anteil der Süchtigen die Selbsttherapie vorzieht.

Für Krause war es vor allem die Skepsis gegenüber den üblichen Behandlungsweisen. Diese sehen eine Versorgung mit Ersatzmitteln vor – Substitution. Krause begegnete vor allem dem Mittel Polamidon, das die Suchtrezeptoren im Gehirn besetzt, um die Abhängigkeit zu beenden. Aber Polamidon kann bei falscher Dosierung süchtig machen. Als er nach einem Weg suchte, um clean zu werden, entschied er sich deshalb gegen das Mittel: „Ich wusste, dass der Entzug von Polamidon schlimmer würde als der von Heroin.“

Dann musste er wegen einer Verletzung ins Krankenhaus und bekam automatisch Polamidon, 30 Milligramm täglich. Zu viel, sagt Krause. Bei seiner Entlassung sei er abhängig gewesen. Ohne Polamidon-Pass musste er das Mittel auf der Straße kaufen, begann aber von Anfang an, sich selber runterzudosieren. Um den Entzug überhaupt durchzuhalten, griff er zu Heroin und Tabletten. Erst Jahre später schaffte er es, nach einem Rückfall, clean zu bleiben. Um nicht langfristig substituiert zu werden, verzichtete er auf ambulante Hilfe, auch aus Angst, hängen zu bleiben.

Begründet wird die Ersatzmittel-Therapie damit, dass die langsame Entwöhnung aus dem Drogenkonsum das endgültige Aufhören erleichtere, da der Körper kein Suchtverlangen mehr signalisiere und Polamidon selbst keine positive Stimulanz hervorrufe. Eine Alternative zur Substitution werde den Wenigsten aufgezeigt, sagt Krause. Er kritisiert, dass die psychische Abhängigkeit viel gravierender sei, aber kaum bekämpft werde, da die sozialpsychologische Betreuung nicht alle Substituierenden abdecken könne – das Geld fehlt.