KOMMENTAR: BENJAMIN LAUFER ÜBER EINEN RANDALEFREIEN ABEND
: Das bessere Schanzenfest

Das Konzept ging auf, offenbar haben die Organisatoren viel richtig gemacht

Bis kurz vor Mitternacht warten wir, ob im Schanzenviertel noch etwas passiert. Stundenlang suchen auch andere Journalisten nach den Bildern vom Krawall. Manche haben sich sogar in einem Restaurant an der Schanzenstraße einen Tisch am Fenster reserviert, um ja nichts zu verpassen. Vor der Roten Flora riecht es zwischendurch mal verbrannt, irgendwann schreibt einer bei Twitter: „Die Ruhe vor dem Sturm.“ Doch es passiert: nichts. „Keinerlei Anzeichen für eine Eskalation“, heißt es aus der Einsatzleitstelle der Polizei. Die zeigt zwar um das Schanzenviertel herum viel Präsenz, hält sich aber mit Provokationen zurück. Und der Frieden hält bis zum Schluss.

Das ist gut, denn so bekommen bei diesem Schanzenfest die Inhalte eine Chance. Das war ein Grund dafür, dass die Veranstalter das Fest in diesem Jahr verlegt hatten – vom Samstag auf dem Schulterblatt hin zu Sonntag um die Schanzenstraße. Sie wollten weniger Kommerz auf dem Fest, dafür wieder mehr Politik, mehr Solidarität. „Wir hoffen, dass so das Abendprogramm anders aussehen wird als in den vergangenen Jahren“, hatte einer von ihnen vor dem Fest gesagt. Als es vorbei war, legte er zufrieden nach: „Alles entspannt.“ Das Konzept ging auf, offenbar haben die Organisatoren viel richtig gemacht.

„Wir erklären Hamburg mit dem Schanzenfest zur offenen Stadt“, verlautbarten sie im Vorfeld – und meinten damit den Umgang der Hansestadt mit Flüchtlingen. Dass das Schanzenfest in diesem Jahr unter dem Motto „Refugees Welcome“ (Flüchtlinge willkommen) stand, sah man: Antirassismus war an vielen Ecken Thema. Angesichts der Situation vieler Flüchtlinge in Hamburg ein wichtiges Anliegen.

Flüchtlingsaktivisten aus vielen Ländern Europas konnten von ihrer politischen Arbeit berichten. Da war Donnaris Okore aus Nigeria von „Women in Exile“, die die Zustände in deutschen Flüchtlingslagern kritisierte. Da waren Roma aus Thüringen und Niedersachsen, die ihre Erfahrungen mit Abschiebungen teilten. Da waren „Jugendliche ohne Grenzen“, die von Vernetzungsarbeit unter jungen Flüchtlingen berichteten. Aus Amsterdam, Wien, Zürich und Berlin kamen Aktivisten und erzählten, wie sie ehemalige Schulen besetzt und darin Flüchtlingszentren eröffnet haben. Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe erzählten Interessierten an verschiedenen Ständen ihre Geschichten. Wäre es nicht schön gewesen, wenn darüber am nächsten Tag etwas in den Zeitungen gestanden hätte?

In den meisten Medien wird das Fest aber auch in diesem Jahr vor der Folie der Krawalle aus der Vergangenheit verhandelt. Gewalt zieht Medienaufmerksamkeit auf sich – und sie wirkt nach. So schafft es eine große Hamburger Tageszeitung, 2.500 Zeichen über diesen Sonntag zu verfassen, ohne die Wörter „Rassismus“ und „Flüchtlinge“ auch nur zu erwähnen, sondern sich einzig auf die ausgebliebene Randale zu konzentrieren. Für manche geht’s halt nicht ohne Gewalt.