Herzen und Nieren unauffällig

TRANSPLANTATION Bei der Vergabe von Spendernieren wurde nicht manipuliert, so die Ärztekammer. Doch viele Zentren wurden gar nicht untersucht

Der Vorwurf der Prüfer ist von der Richtlinie für Herztransplantationen nicht gedeckt

AUS BERLIN HEIKE HAARHOFF

Jetzt hat der Skandal um Manipulationen bei der Vergabe lebensrettender Spenderorgane sogar das Vorabendprogramm im Fernsehen erreicht. In „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, Folge 5.570, herrscht der Transplantationsmediziner Dr. Kant seinen Assistenzarzt an: „Der eine [Patient] stirbt, der andere lebt. Ich habe da noch nie eine Gerechtigkeit entdecken können. Aber wenn ich die Möglichkeit habe, die Würfel zu beeinflussen, dann tue ich das – ohne zu zögern!“

Den Prüfern von Bundesärztekammer, Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft, die sich seit Monaten mühen, die Praktiken in Deutschlands Transplantationszentren zu kontrollieren, dürfte die Galle hochgekommen sein – die übliche Rechtfertigung betrügerischer Ärzte, die ihre eigenen Patienten auf der Organ-Warteliste zu Lasten anderer Schwerkranker regelwidrig nach oben manövriert haben, ausgestrahlt zur besten Sendezeit. Doch die Bundesärztekammer gibt nicht auf. Am Dienstag versuchte sie erneut, das Vertrauen in die Organspende zurückzugewinnen: Für die deutschen Nieren-, Bauchspeichel- und Herztransplantationszentren zumindest könne, was etwaige Manipulationen betreffe, Entwarnung gegeben werden, verkündete die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder, in Berlin: „Die bisherigen Prüfungen haben ergeben, dass im Bereich der Nierentransplantation keine Anhaltspunkte für systematische Richtlinienverstöße bestehen.“

Gleiches gelte für die Bauchspeicheltransplantationen. Und bei den Herzprüfungen, so Rinder, habe es ebenfalls „keine Auffälligkeiten“ gegeben – mit Ausnahme des Deutschen Herzzentrums Berlin. Das hatte sich nach Intervention der Prüfer Ende August bei der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts systematischer Manipulationen von Patientendaten in 14 Fällen selbst angezeigt; die Ermittlungen dauern an.

Ist die Transplantationsmedizin also auf dem Weg der Besserung? Man weiß es nicht. Denn tatsächlich haben die Prüfer, das räumten sie am Dienstag ein, seit Bekanntwerden des Organskandals im Sommer 2012 lediglich 18 von insgesamt 41 Nierentransplantationsprogrammen rückblickend für die Jahre 2010 bis 2012 kontrolliert. Und von insgesamt 22 Herztransplantationszentren haben sie im selben Zeitraum bloß 7 geprüft und davon wiederum nur 5 abschließend.

Die pauschale Aussage, es habe „keine Auffälligkeiten“ gegeben, erscheint damit vorschnell. „Wir arbeiten mit 15 ehrenamtlichen Prüfern“, beklagte denn auch der Vize-Chef der Prüfungskommission, Hans Lippert. „Wir brauchen mehr Prüfer.“

Unklar ist zudem, ob die vermeintlichen Manipulationen am Herzzentrum Berlin tatsächlich als solche zu werten sind. Der Vorwurf der Prüfer, Ärzte des Zentrums hätten den Zeitpunkt für die Gabe bestimmter Herz-Kreislauf unterstützender Medikamente gezielt beeinflusst, um ihre Patienten kränker als tatsächlich erscheinen zu lassen, ist jedenfalls von der Richtlinie für Herztransplantationen nicht gedeckt: Die Richtlinie äußert sich nicht zu (un)zulässigen Zeitpunkten der Medikamentenverabreichung. Rinder entgegnete, ein „Manual“ der Organvergabestelle Eurotransplant regle dies sehr wohl. Doch hat dieses Manual – anders als die Richtlinie – weder normativen Charakter noch war es Gegenstand der Prüfung.