Kritik an konservativen Muslimen

Türkische Gemeinde mobilisiert gegen Koordinierungsrat und fordert Ditib zu Austritt auf

BERLIN taz ■ Kurz vor der zweiten Islamkonferenz an diesem Mittwoch kündigte Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Widerstand gegen konservative Muslime an. Mit der Gründung eines „Kompetenzzentrums Religionen“ wolle man ein Gegenwicht herstellen, damit säkular orientierte Muslime eine Alternative hätten. „Wir werden alles tun, um zu verdeutlichen, dass eine konservative Deutung des Islam nicht von der Mehrheit der Türken getragen wird“, sagte Kolat der taz.

Am Wochenende habe der Bundesvorstand der TGD beschlossen, ein eigenes theologisches Institut zu gründen, in dem der Islam aus weltlicher Sicht interpretiert werden soll. „Die Deutungshoheit des Islam dürfen wir nicht den orthodoxen Muslimen überlassen“, so Kolat. In dem geplanten „Kompetenzzentrum Religionen“ sollen vor allem lebensnahe Fragen geklärt werden. Theologen und Wissenschaftler sollen in dem Institut Belege finden, warum getrennter Sportunterricht sinnlos sei oder Pädagogen keine religiösen Symbole, auch keine Kopftücher, tragen sollten. Dabei gehe es nicht darum, den Koran neu zu deuten. „Schließlich kann man das Rad nicht neu erfinden“, so Kolat. „Wir wollen aber eine säkulare Sichtweise.“

Rückendeckung bekommt er von der Soziologin und Islamkritikerin Necla Kelek, die den Vorstoß der Türkischen Gemeinde begrüßt. „Das ist die richtige Antwort darauf, dass die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) sich mit Milli Görüs über den Koordinierungsrat der Muslime verbandelt hat“, lobt Kelek. Ditib ist mit dem staatlichen Amt für religiöse Fragen in Ankara verbunden und eines der vier Mitglieder im neu gegründeten Koordinationsrats der Muslime in Deutschland (KRM). Dieser nimmt für sich in Anspruch, einen Großteil der in Deutschland lebenden Muslime zu vertreten.

Bisher galt Ditib als säkulares Sprachrohr des Islam. Seit der Verband sich dem KRM angeschlossen hat, schwindet aber das öffentliche Vertrauen. Kritiker verweisen darauf, dass der KRM eine sehr konservative Auffassung des Islams vertrete. Deswegen fordert Kolat Ditib dazu auf, den Koordinationsrat zu verlassen, um ihre säkulare Sichtweise nicht in Frage zu stellen. „Sollte Ditib das nicht machen, werden wir türkische Verantwortliche mobilisieren“, sagte Kolat. Sadi Arslan, Vorsitzender der Ditib, will aber nicht aus dem Koordinationsrat aussteigen. „Dazu gibt es momentan keinen Anlass“, so Arslan. CIGDEM AKYOL