Konstruierte Wirklichkeit

AUSSTELLUNG Mit „White Elephant“ zeigt die Gesellschaft für Aktuelle Kunst derzeit Christian Haake, der in seinen Arbeiten subtil Erinnerung und Realität hinterfragt

Haake hat in den letzten Jahren viele Förderpreise bekommen. Aber von seiner Kunst leben – das kann er bislang nicht

VON JAN ZIER

Du kommst rein – und denkst: Irgendwas stimmt da nicht. Du kannst es nicht gleich benennen, eher ist es so ein subtiles Gefühl, dass dir Christian Haake da vermittelt.

Zum Beispiel bei „Weiße Halle (Auszug)“, eine seiner aktuellsten Arbeiten, eine von jenen, die extra für diese Ausstellung in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) entstanden sind. Sie kommt daher wie eine mehr oder minder willkürlich zusammengefaltete Zeitung, die in einen zu großen Rahmen gesteckt wird. Okay, denkst du, willst fast schon mit der Schulter zucken, dich abwenden. Aber es ist gar keine Zeitung, sie ist nur als solche gedruckt worden, und der Bilderrahmen exakt so groß wie eine aufgeschlagene Süddeutsche oder Frankfurter Allgemeine. Überhaupt ist alles hier sorgsam auskomponiert und bei näherem Hinsehen mit allerlei Bezügen zu den anderen Werken dieser Ausstellung ausgestattet. Und das grobkörnige Zeitungsfoto – arm an Information, indes reich an Assoziation – kommt beinahe ein wenig malerisch daher. Haake selbst fühlt sich gar an Caspar David Friedrich erinnert.

„White Elephant“ ist Haakes erste institutionelle Einzelausstellung, zugleich das Ergebnis gleich zweier einschlägiger Preise, die der Bremer Künstler in den letzten Jahren abgeräumt hat. Davon nämlich hat er mittlerweile praktisch alle bekommen, die hier in der Region Rang und Namen haben. Auch wenn er – 1969 in Bremerhaven geboren – älter ist als der Nachwuchs, der sonst auf diese Weise protegiert wird. „Preise sind eine von wenigen Möglichkeiten, an Kohle zu kommen“, sagt Haake dann, liebenswert unprätentiös. Von seiner Kunst leben? Nein, das kann er nicht, zumindest: noch nicht, Haake arbeitet nebenher noch in der Schauburg.

Nicht zufällig also findet sich das Erzählerische, das Cinematografische immer wieder in seiner Kunst wieder. Und doch hat er erst jetzt auch mal eine Videoarbeit gemacht. Jene, die der Ausstellung ihren Namen gab. Dass die in der GAK läuft, hat übrigens viel damit zu tun, dass deren Direktorin Janneke de Vries schon von ihm begeistert war, als sie 2008 nach Bremen kam. „Ich habe selten etwas so eigenständiges gesehen“, sagt de Vries. Und: Haake sei einer, der die Leute „in seinen Kosmos“ reinziehe.

Sein Konzept: Er baut Erinnerung. Und bewegt sich dabei stets an der Grenze zur sogenannten Wirklichkeit, irgendwo zwischen Schein und Sein, zwischen Realität und Fiktion. Fehler, Lücken, Täuschungen – das alles nimmt Haake dabei bewusst in Kauf – nicht nur billigend oder fahrlässig, sondern vorsätzlich. Mit der Idee, dass sich am Ende so womöglich ein „viel stimmigeres Bild“ von Wirklichkeit ergibt, ein „echteres Bild“, wie de Vries sagt. Zugleich verknüpft er stets das eigene mit dem kollektiven Gedächtnis.

Zum Beispiel in der „Passage“, dem zentralen Werk dieser Schau. Haake hat dabei den verlassenen Eingang eines Kolonialwaren-Ladens aus den Sechzigern nachgebaut, einen Ort auch seiner eigenen Jugend. Dabei hat er zugleich die GAK zum Bestandteil seiner Installation gemacht, deren schlauchartige Architektur mit großer Fensterfront zur Weser hin auf ebenso angenehme wie überraschende Weise architektonisch völlig umgestaltet. Das bedeutet freilich auch: Das Ende der Ausstellung ist das Ende dieses Kunstwerkes. Gut möglich, dass es Müll wird. Bis dahin ist diese „Passage“ eine Art Bühnenbild für fiktive Geschichten im eigenen Kopfkino, ohne diese schon ausdrücklich vorzugeben. Wer sich nicht darauf einlassen will, wird Christian Haakes Werk möglicherweise belanglos finden.

Wer durch die Ladentür ins Dunkle geht – nein, das ist kein Frevel an der Kunst – dem eröffnet sich die in einer ewigen Schleife wiederkehrende, bisweilen malerisch anmutende Kamerafahrt durch eine leer stehende, jedoch imaginäre Einkaufspassage, von Haake detailliert als Modell gebaut. Erinnerungen an den Space Park sind von Haake durchaus intendiert. Ohne dass seine Arbeit deswegen eine vordergründig politische wäre, eine eindeutige Botschaft transportieren wollte. Haake will an dem teilhaben lassen, was ihn selbst fasziniert. Und das ist gut so.

Am Samstag begeht die GAK die „Lange Nacht der Museen“ mit einem Konzert der Band „Flight Of Stairs“ (21 Uhr), zwei Führungen mit dem Künstler (22 & 24 Uhr), und ab 18 Uhr können eigens angefertigte Minaturen von Bremer Künstlern erstanden werden.

■ Ausstellung bis 31. Juli, Lange Nacht der Museen am Samstag, 18-1 Uhr, GAK, Teerhof 21