„Diese Chance nehme ich wahr“

STUDIENSTART SchülerInnen, deren Eltern keinen Hochschulabschluss haben, studieren weitaus seltener als Kinder von Akademikereltern. Deshalb unterstützt das Förderprogramm Studienkompass sie auf ihrem Weg ins Studium. So auch Anna Geginat, die am Montag mit ihrem Studium beginnt

■ 19, hat zuerst ihren Abschluss an einer Realschule in Niedersachsen gemacht. Dann ist sie zur Goethe Schule in Harburg gegangen und hat dort in diesem Jahr ihr Abitur bestanden. Nun beginnt sie ein Studium der Geowissenschaften an der Uni Hamburg.

INTERVIEW JELENA MALKOWSKI

taz: Wie sind Sie zum Studienkompass gekommen, Anna Geginat?

Anna Geginat: Unsere Lehrerin hat in der elften Klasse Flyer dazu verteilt und ich fand das total interessant, weil es für Schüler ist, deren Eltern nicht Akademiker sind. Ich hatte immer ein Problem damit zu sehen, was ich später studieren will und was es eigentlich für Möglichkeiten gibt.

Waren Sie gut in der Schule?

Ich war immer eine Durchschnittsschülerin. Meine Lehrer haben früher schon gesagt: Würde ich mich mal hinsetzten und lernen, könnte ich auch einen Einserdurchschnitt machen.

War Ihnen schon immer klar gewesen, dass Sie später studieren wollen?

Ja, das wollte ich immer schon. Eine Ausbildung kam für mich nicht in Betracht, da habe ich mich nie gesehen. Ich hatte immer den Traum, die Erste aus meiner ganzen Familie zu sein, die studiert und vielleicht sogar meinen Doktortitel zu machen. Ich bin die Erste in der Familie, der das möglich ist und wenn ich diese Chance schon habe, nehme ich sie auch wahr.

Wo arbeiten Ihre Eltern?

Mein Vater arbeitet bei Airbus und meine Mutter ist mittlerweile Frührentnerin und hat früher im Kinderheim gearbeitet.

Unterstützen sie Sie in Ihren Studienplänen?

Mein Vater wollte immer, dass ich eine Ausbildung mache, das sei so solide und man verdiene schon Geld damit. Aber meine Mutter steht total hinter mir und ist sehr stolz darauf, dass ich jetzt studiere.

Wie genau hat Sie der Studienkompass unterstützt?

Wir haben Besuche in Firmen gemacht und hatten Workshops zu Persönlichkeitstrainings und zur Zukunftsplanung. Ich habe mich in der Oberstufe viel umentschieden, welchen Studiengang ich wählen sollte, deshalb war der Studienkompass eine große mentale Unterstützung. Mir wurde immer bestätigt, dass ich mich schon für das Richtige entscheiden würde.

Fangen alle aus der Studienkompass-Gruppe jetzt an zu studieren?

Es gibt schon einige, die entweder ein freiwilliges Soziales Jahr machen oder noch etwas anderes bevor sie studieren.

Wie sind Sie letztendlich zu Ihrer Studienwahl gekommen?

Studienkompass ist ein Förderprogramm, das junge Menschen aus Nicht-Akademikerfamilien unterstützt.

■ Nur 23 Prozent der Jugendlichen, die die Ersten in ihrer Familie wären, nehmen ein Studium auf. Unter dem Nachwuchs aus Akademikerfamilien sind es dagegen 77 Prozent. Bei dieser großen Spanne will der Studienkompass eingreifen.

■ Initiiert wurde das Programm von der Accenture-Stiftung, der Deutsche-Bank-Stiftung und der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, weitere Partner unterstützten die Initiative.

■ Es gibt Workshops und Ansprechpartner, die die jungen Menschen zwei Jahre in der Schule und ein weiteres Jahr im Studium begleiten.

■ Studienabbrüche sollen so vermieden werden.

■ Neun von zehn Teilnehmern nehmen ein Studium auf. Deutschlandweit beginnen in diesem Jahr 400 Teilnehmer des Studienkompasses ihre Hochschulkarriere.

Mein Abitur ist nicht ganz so gut geworden, wie ich es mir erhofft hatte. Ich habe mich dann neu orientiert und nach etwas Exotischem geguckt. Die meisten, die ich kenne, studieren BWL, Jura oder Psychologie, und ich wollte lieber etwas machen, was nicht alle machen.

Ich habe mir die Studiengänge in ganz Hamburg angesehen und mich letztlich an der Uni Hamburg für Geowissenschaften beworben. Ein Buch, das ich zu Geowissenschaften gelesen habe, hat mich so gefesselt, dass ich es innerhalb eines Tages durchgelesen habe. Da habe ich mir dann gesagt: Bewirb dich, es interessiert dich und du hast einfach Bock darauf. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass es egal ist, was man studiert – man kann alles damit machen.

Waren Sie nun schon an der Uni?

Bis jetzt war ich nur da, um meinen Bafög-Antrag abzugeben. Und mit dem Studienkompass waren wir manchmal dort. Aber richtig für das Studium war ich jetzt noch nicht da. Nächsten Montag beginnt es mit der Orientierungseinheit, darauf bin ich gespannt.

Haben Sie eine Vorstellung, was im Studium auf Sie zukommt?

Ich hatte mir Uni immer so heftig vorgestellt, mit ganz vielen Vorlesungen. Jetzt habe ich mir das Verzeichnis angesehen und es ist viel weniger als ich dachte. Man hat doch ein bisschen mehr Zeit. Darüber war ich gleichzeitig schockiert und froh. Das ist eine neue Umgebung und neue Menschen, aber darauf freue ich mich auch. Ich bin ganz offen, was da auf mich zukommt.