herr tietz macht einen weiten einwurf
: Da brennt was wie Sau

FRITZ TIETZ gibt einen erbärmlichen Brandmelder ab und zweifelt, ob ein wenig Radfahren für nächtliche Taxitouren sportlicher Ausgleich genug ist

Fritz Tietz ist 48 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport

Bislang glaubte ich zuverlässig zu wissen, wie man der Feuerwehr einen Brand meldet. Also erstens: Ruhe bewahren. Zweitens: Gucken, ob Menschen gefährdet sind und sie ggf. warnen und retten. Drittens: eins, eins, zwo anrufen. Dann: Sobald der Notruf entgegengenommen wird, dem Diensthabenden sagen, wer man ist, wo man sich gerade befindet und ihm möglichst exakt darlegen, was los ist. Schließlich: Rückfragen abwarten und beantworten. So weit die Theorie. Die Praxis allerdings …

… trat neulich während einer meiner Taxinachtschichten ein, die ich an den Wochenenden gelegentlich einschiebe. An einem Sonntagmorgen war’s, gegen drei Uhr. Auf der Rückfahrt von Hamburg ins heimische Beförderungsgebiet sah ich, die A1 runterbretternd, hinter einer Schallschutzwand neben der Autobahn gewaltige Flammen in die Höhe schlagen. Ich bremste den Wagen ab, wählte, während ich die Feuersbrunst langsam passierte, auf dem Bordtelefon den Notruf 112 und hätte nun dem diensthabenden Feuerwehrmann, der sich kurz darauf meldete, eigentlich Folgendes sagen müssen: „Guten Tag, meine Name ist Fritz Tietz. Ich bin Taxifahrer, unterwegs auf der A1 von Hamburg in Fahrtrichtung Maschener Kreuz, Höhe Meckelfeld. Rechts von der Autobahn sehe ich hinter der Schallschutzwand ein paar mächtige Flammen gen Himmel lecken. Was da genau brennt, kann ich wegen der Wand nicht erkennen. Wegen der ich im Übrigen auch keine Möglichkeit sehe, eventuell gefährdete Personen zu warnen, geschweige denn zu retten…“ und so weiter oder ähnlich abgeklärt und präzise. Ich aber war leider alles andere als ruhig und gefasst, nämlich mächtig aufgeregt und in der Hektik bloß in der Lage, so etwas Ähnliches wie das hier ins Telefon zu stammeln: „Ja, hallo? Bin hier gerade auf der Autobahn. Da brennt was wie Sau.“ Zum Glück war, wie der Mann vom Notruf mich nach einigen, den Sachverhalt eingrenzenden Nachfragen beruhigen konnte, der Brand zu diesem Zeitpunkt schon anderweitig gemeldet worden und die Feuerwehr längst alarmiert. Aber da kann man mal sehen: wie schnell einen doch der Ernstfall aus der Fassung bringen kann.

Vielleicht muss ich aus diesem Vorfall auch Rückschlüsse auf meine momentane körperliche Verfassung ziehen, die ja laut jener lateinischen Sportweisheit (mens sana in corpore sano) Gradmesser auch für die geistige Frische ist. Welche wiederum entscheidend mit dazu beiträgt, ob z. B. eine Feuermeldung ordentlich abgesetzt wird – oder auch nicht. Tatsächlich muss ich einräumen, dass ein mitunter mehrtägiger nächtlicher Chauffeursdienst auf der Taxe zu einer gewissen fleischlichen und mentalen Ermattung führt. Der ich aber mit regelmäßigen Ausritten auf dem Fahrrad entgegenzuwirken versuche. Wann immer dies Zeit und Wetter zulassen, wird nach dem Ausschlafen am Sonntagnachmittag eine mehrstündige Radtour anberaumt. Das muss doch wohl an sportlichem Ausgleich reichen. Oder etwa nicht?

Falls sich übrigens kein attraktiveres Ziel anbietet, pedaliere ich auf diesen Ausfahrten schon mal die neuralgischen Punkte der vorangegangenen Taxinächte an. So auch jene Brandstelle neulich, weil ich doch zu gern wissen und sehen wollte, was da eigentlich so emporlodernd gefackelt hatte. Ein Lkw-Gespann war’s, das Feuer gefangen hatte und samt einem benachbarten Palettenlager abgebrannt war. Ich aber fragte mich: Wie viel gewaltiger es wohl gefackelt hätte, wäre ich der erste und maßgebliche Brandmelder gewesen?

Vorgestern war’s übrigens, nachdem ich jobhalber in den 1. Mai gefahren war, erneut eine Brandruine, die ich auf meiner Nachtschichtkompensationstour besichtigte. Einen Edeka-Markt hatte es dieses Mal erwischt. In einem wahren Feuersturm war er bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Keine Ahnung, wer in dieser Nacht die Flammen als Erster gemeldet hatte. Gemessen an dem Schaden kann es nur ein müder Taxifahrer gewesen sein.