Kontrolle über den achten Kontinent

INTERNET Nicolas Sarkozy will globale Regeln

VON BURKHARD SCHRÖDER

Es ist ein Segen, dass weder die Deutschen noch die Franzosen das Internet erfunden haben. Die Deutschen hätten einen Zentralrechner gebaut und diesen einer Behörde unterstellt. Die Franzosen würden nur Inhalte erlauben, die sie für zivilisiert halten. Einmal mehr wurde dies auf dem Treffen in Paris deutlich, zu dem der französische Präsident Nicolas vor dem G-8-Gipfel geladen hatte. Das Thema der 800 Gäste: das Internet, wie es ist und wie es sein sollte.

Dort diskutierten Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Jimmy Wales von Wikipedia, der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt und weitere Vertreter großer Medien- und Computerkonzerne sowie eine Handvoll Blogger und Bürgerrechtler darüber, dass geistiges Eigentum im Internet besser geschützt werden könne. Niemand dürfe, so Sarkozy, ungestraft Ideen und geistiges Eigentum anderer im Internet ausbeuten; für den „achten Kontinent“ müssten „Minimalstandards“ von Werten geschaffen werden.

Nationen wie China und Indien, die mehr Internetnutzer haben als Europa Einwohner, blieben außen vor. Auch die Ergebnisse waren von Sarkozys Internetbeauftragtem Jean-Michel Hubert schon vorher vorgestellt worden: Trotz aller Probleme komme das Internet dem Wachstum der Wirtschaft und der Freiheit der Meinung zugute. Allerdings müssten die Nutzer „erzogen“ werden; der Staat müsse pädagogisch eingreifen, „um sie an ihre individuelle Verantwortung zu erinnern“.

Das kann man als Drohung verstehen: Straff organisierte staatliche Netzpolitik, Internetzensur und drakonische Strafen bis hin zum Internetverbot für Urheberrechtsverletzungen sollen, wie in Frankreich üblich, zum Standard werden. Das Internet muss, so Sarkozy, „harmonisiert“ und „zivilisiert“ werden.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vertrat bei der Global Economic Crime Conference ähnliche Thesen: Das Internet müsse „geschützt werden“, anderenfalls müsse man sich Sorgen machen, dass es im schlimmsten Fall nicht mehr brauchbar sei. Im Gegensatz zu Sarkozy drängt er aber darauf, dass die Unternehmen in Deutschland freiwillig ihre Kunden regulieren und kontrollieren. „Es braucht nicht immer gleich Gesetze.“ Das entspricht eher dem Interesse von Google oder Facebook, deren Geschäftsmodell daraus besteht, die Daten der Kunden gewinnbringend zu verkaufen.

Die Kritiker der Konferenz warnen auf ihrer Website „G8 vs Internets“ vor einer stärkeren Kontrolle des Internets. John Perry Barlow, Mitgründer der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, durfte in Paris zwar reden, fühlte sich aber, als stammte er von einem anderen Planeten als die restlichen Teilnehmer auf dem Podium. „Man kann freie Rede nicht besitzen“, hielt er den Konzernvertretern entgegen.

Am Donnerstagnachmittag stand das Thema auf der Tagesordnung des G-8-Gipfels. Sarkozy möchte weltweite Minimalstandards für das Internet.