Keine Macht für niemand

BULGARIEN Nachdem erst die Sozialisten keine Mehrheit hatten, sind jetzt die Konservativen an der Reihe

SOFIA rtr/ap/dpa | In Bulgarien zeichnet sich auch nach der vorgezogenen Parlamentswahl vom Sonntag kein Ende der politischen Instabilität ab. Die konservative bisherige Oppositionspartei Gerb ging aus der Abstimmung zwar als stärkste Kraft hervor, doch von einer klaren Mehrheit war sie weit entfernt. „Gerb gewann die Wahl, nicht aber die Macht“, schrieb die Zeitung Sega am Montag.

Gerb kam bei der Wahl auf 32,6 Prozent der Stimmen, gegenüber 30,5 bei den letzten Wahlen im Mai 2013. Die bisher regierenden Sozialisten stürzten von 27 auf 15,3 Prozent ab. Die Partei der türkischen Minderheit DPS – zuletzt Koalitionspartner der Sozialisten – legte kräftig zu: von 11,3 auf 14,9 Prozent. Das Endergebnis könnte sogar höher ausfallen, wenn die in der Türkei abgegebenen Stimmen komplett ausgezählt sind. Fünf weitere Parteien – davon zwei nationalistische – schafften nach den vorläufigen Angaben der Zentralen Wahlkommission die Vierprozenthürde für den Einzug ins Parlament. Die Wahlbeteiligung erreichte mit rund 50 Prozent einen Negativrekord seit der Wende. Insgesamt ziehen acht Parteien ins Parlament ein, so viele wie nie seit dem Zusammenbruch des Kommunismus vor 25 Jahren. „Mit so einem zersplitterten Parlament ist es schwierig, eine Regierung zu bilden. Und es stellt sich auch die Frage, wie stabil sie sein wird“, sagte Politologe Dimitar Betschew von der London School of Economics.

Gerb-Chef Boiko Borissow kündigte am Montag an, eine Minderheitsregierung bilden zu wollen. Eine Koalition mit den Sozialisten schloss er aus. Interimsregierungschef Georgi Blisnaschki warnte die Parteien davor, die Regierungsbildung zu verzögern. „Alles hängt vom gesunden Verstand der wichtigen politischen Kräfte ab“, sagte er dem Staatsradio.

Die sozialistische Vorgänger-Regierung war im Sommer nach nur einem Jahr nach massiven Protesten und einer Bankenkrise inmitten eines Korruptionsskandals zurückgetreten.