Der Sport mit Spätschäden

SPORTHILFE Zum Erreichen des begehrten Weltniveaus half die DDR im Sport gern mit Doping nach. Jetzt gibt es in Brandenburg eine Beraterin für Opfer des DDR-Dopings

VON TORSTEN HASELBAUER

Es ist eigentlich eine gute Nachricht: Seit August gibt es nun mit der ehemaligen Kanutin Faustyna Ines Kunz als ehrenamtlicher Beraterin endlich eine Ansprechpartnerin für dopinggeschädigte Menschen im Bundesland Brandenburg. Eingesetzt hat sie der märkische Landessportbund. Der Zeitpunkt für diese späte Entscheidung, 25 Jahre nach dem Mauerfall, zeigt vor allem, dass das Thema Doping im DDR-Sport in Brandenburg nach wie vor virulent ist. Und wie man damit umgehen soll, ist weiterhin Gegenstand heftiger Diskussionen.

In der Debatte treffen dabei Täter auf Opfer, es begegnen sich Täter, die auch Opfer sind, Sportfunktionäre sowie Dopinghilfevereine. Alle Beteiligten vertreten unterschiedliche Ansätze in der DDR-Dopingaufarbeitung. Ausgetragen wird dieser Konflikt in Brandenburg, dem Bundesland mit dem mutmaßlich größten Dopingerbe aus der DDR, in dem mit Potsdam, Frankfurt (Oder) und Kienbaum wichtige Leistungszentren des DDR-Sports waren.

„Ich will die von systematischem Doping krank gewordenen Sportler der DDR in allen Bereichen unterstützen und helfen, sie aufzurichten“, sagt Faustyna Ines Kunz über ihre Ziele in neuer Funktion. Es geht ihr um die Vermittlung von Anwälten, Ärzten, Beratung in Renten- und Ausgleichszahlungen, Kontakt zu Krankenkassen und um die psychische Stabilisierung der Dopingopfer.

Leidensweg nach Doping

Kunz weiß dabei genau, wovon sie spricht. Die ehemalige Kanutin galt einmal als Nachwuchshoffnung in ihrer Sportart und startete als junge Frau für den ASK Potsdam. Kunz bekam in dieser Zeit ohne ihr Wissen Doping verabreicht – und das wohl nicht zu knapp. Wie viel genau und was, lässt sich nicht sagen, denn der Nachweis ist heute schwer, wenn man weder Akten noch auskunftswillige Zeugen hat. Schon mit 18 Jahren beendete die Leistungssportlerin ihre Karriere. Es folgte ein langer gesundheitlicher Leidensweg mit wiederholten körperlichen Zusammenbrüchen, mit temporärem Versagen der Nieren und des Immunsystems und einem Schlaganfall. „Spätschäden nennt man das, und das ist oft typisch für Leistungssportler, die jahrelang chemische Substanzen genommen haben. Doping ist Körperverletzung“, so Kunz.

Mit 45 Jahren schließlich konnte die heute 58 Jahre alte Maschinenbauingenieurin ihren Beruf nicht mehr ausüben. Kunz gilt als ein staatlich anerkanntes Dopingopfer, Ausgleichszahlung inklusive.

„Meine Geschichte hilft bei der Beratung. Sie ist authentisch“, sagt Kunz. Sie hat seit August über den Landessportbund eine E-Mail-Adresse, eine Telefonnummer und einen Raum für die anonyme und streng vertrauliche Beratung. „Es haben sich schon DDR-Leistungssportler und interessierte Personen, etwa Eltern ehemaliger Sportler, gemeldet“, sagt Kunz. Für den Landessportbund (LSB) Brandenburg ist die Institutionalisierung eines Beratungsangebotes für dopinggeschädigte Menschen „ein Schritt, der wichtig, richtig und hilfreich für die Sportentwicklung in diesem Land ist. Der Weg zu uns ist kurz“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des LSB, Andreas Gerlach.

Keiner möchte das neue Brandenburger Beratungsangebot grundsätzlich infrage stellen. Doch es gibt auch Misstöne. „Ich begrüße natürlich jede konkrete Hilfe für die Geschädigten ausdrücklich. Aber man kann immerhin gespannt sein, ob die aktuelle Stelle wieder nur eine überschlaue Jongliererei des LSB Brandenburg ist oder endlich echte Unterstützung für die Opfer bedeutet. Sie brauchen keine warmen Worte, sondern wirklich medizinische, juristische, psychologische Hilfe. Kurzum: So eine Regulierung verlangt am Ende auch einen zu beziffernden Etat“, erklärt Ines Geipel, die Vorsitzende des Vereins Doping-Opfer-Hilfe mit Sitz in Berlin, gegenüber der taz.

Ein langer Streit

Die ehemalige DDR-Leichtathletin und der Landesportbund Brandenburg beharken sich schon eine gefühlte Ewigkeit. Es geht um Doping, um die Stasi, um die Rolle und die historische Aufarbeitung des DDR-Sports in Brandenburg generell.

Noch im Juni kritisierte Geipel den märkischen Sportverband scharf für seine Untätigkeit im Umgang mit den Dopingopfern. Anlass war die Präsentation des über 400 Seiten dicken Abschlussberichts der Brandenburger Enquetekommission. Das Gremium hatte sich zuvor vier Jahre lang mit der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in der Mark beschäftigt. Eine klare Handlungsanweisung hatte die Kommission in ihrem Bericht auch dem Sport mitgegeben: „Den Opfern des DDR-Doping-Systems sollen Hilfsangebote unterbreitet und Beratungsstellen finanziell unterstützt werden.“

Dem ist der Landessportbund also nun auch nachgekommen. Geipel kritisiert die Konsequenzen als zu spät und halbherzig: „Der LSB Brandenburg hat sich über Jahre hartnäckig geweigert, die Schäden des DDR-Sports anzuerkennen. Insofern ist ein solcher Schritt nach 25 Jahren immerhin das Eingeständnis, dass es Bedarf gibt“, so Geipel. Die ehemalige DDR-Leistungssportlerin gilt als eine Anhängerin eines zentralen, bundesweiten Hilfeangebots für Dopingopfer, und das passt mit dem Brandenburger Modell überhaupt nicht zusammen – in der Regionalisierung der Dopingopferberatung in der Mark sieht Geipel wohl auch einen Affront gegen ihr Projekt.