Konsenskino, gut gemacht

Schon im Vorfeld der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2007 war die vergebende Akademie kritisiert worden – die Veranstaltung selbst konnte und wollte daran auch kaum etwas ändern

Filmpreis: „Vier Minuten“ (Spielfilm), „Workingman’s Death“ (Doku); Jugendfilm: „Hände weg vom Mississippi“; Hauptdarstellerin: Monica Bleibtreu; Hauptdarsteller: Josef Bierbichler („Die Winterreise“); Nebendarstellerin: Hannah Herzsprung; Kamera: Frank Griebe („Das Parfum“). AP

VON CRISTINA NORD

Am Freitagabend wurde in Berlin der Deutsche Filmpreis verliehen. Der Hauptpreis, die Goldene Lola, ging an „Vier Minuten“, ein im Frauengefängnis angesiedeltes Melodram von Chris Kraus. Neben Kraus’ Film zählten Tom Tykwers Romanverfilmung „Das Parfum“ mit insgesamt sechs Auszeichnungen und Marcus H. Rosenmüllers „Wer früher stirbt ist länger tot“ mit vier Auszeichnungen zu den Gewinnern des Abends. Michael Herbig moderierte die Gala so routiniert, dass sie nur in wenigen Augenblicken Lebendigkeit gewann –etwa als Monica Bleibtreu die Lola für die beste weibliche Hauptrolle entgegennahm (sie spielt in „Vier Minuten“ eine Klavierlehrerin) und dabei sagte, sie habe Geburtstag.

Das Publikum stimmte ein Lied für sie an, und sie hielt im Anschluss eine kurze, schöne Rede. Der Kulturstaatsminister Bernd Neumann freute sich unterdessen darüber, „wie viele Arbeitsplätze durch den Film geschaffen werden“. Er betonte, dem deutschen Film gehe es „so gut wie lange nicht mehr“ – ein Satz, der seit Jahren in keiner Rede zum deutschen Film fehlt. Schon Neumanns Vorgängerin Christina Weiss benutzte ihn ohne Gespür dafür, dass er sich in der mantrahaften Wiederholung selbst ad absurdum zu führen droht. Senta Berger, neben Günter Rohrbach Präsidentin der Akademie, erwähnte derweil freudig, Fatih Akins neuer Film sei in den Wettbewerb der nächste Woche beginnenden Filmfestspiele von Cannes eingeladen. Was sie nicht sagte: Noch in der aktuellen Zeit kritisierte Akin die Vergabemodalitäten des Filmpreises scharf; er selbst ist aus der Filmakademie ausgetreten.

Im Vorfeld der Verleihung zog die Akademie viel Kritik auf sich, und die Veranstaltung selbst konnte deren Stichhaltigkeit nicht entkräften. Seit drei Jahren wird der mit insgesamt 2,845 Millionen Euro dotierte Preis nicht mehr durch eine vom Kulturstaatsminister (BKM) berufene Jury, sondern durch die Deutsche Filmakademie vergeben, eine rund 900 Mitglieder zählende Branchenvertretung, der längst nicht alle Filmschaffenden in Deutschland angehören. Wie schon in den Vorjahren erwies sich das Auswahlverfahren als ungeeignet, der Vielfalt der deutschen Filmproduktion gerecht zu werden. Denn nominiert sind und waren fast ausschließlich solche Filme, die sich im Feld des gehobenen Mainstreams bewegen: Konsens-Kino, handwerklich gut gemacht, gut besetzt, aber ohne jede Spur von ästhetischer Kühnheit. Auch wenn der diesjährige Gewinner, „Vier Minuten“, keine Großproduktion, sondern ein vergleichsweise unaufwändig gedrehtes Melodram ist, so heißt dies noch lange nicht, dass es sich um einen außergewöhnlichen, wagemutigen Film handelt. Unter den Nominierungen fand sich eine einzige risikofreudige Produktion: Matthias Glasners „Der freie Wille“, ein Drama über einen Vergewaltiger nach der Haftentlassung, war für einen Regiepreis vorgeschlagen, ging aber leer aus. Höchstens in die Vornominierungsrunde schaffen es solche Filme, die mit den Arthouse-Konventionen von Dramaturgie und Narration brechen – etwa „Sommer ’04“ von Stefan Krohmer oder „Sehnsucht“ von Valeska Grisebach.

Dieser blinde Fleck ist einer der Gründe, warum die Vergabe des Preises durch die Akademie von Jahr zu Jahr problematischer wird, sind die 2,845 Millionen Euro aus dem Etat des BKM doch für die künstlerische, nicht für die wirtschaftliche Filmförderung vorgesehen.

Ein weiterer Grund sind die Unsauberkeiten, die während des Auswahlverfahrens auftreten. Günter Rohrbach etwa schrieb im Januar im Spiegel einen Artikel, in dem er sich auf Kosten von Grisebachs „Sehnsucht“ für „Das Parfum“ starkmachte. Was er nicht erwähnte, war, dass er im Aufsichtsrat der Neuen Constantin sitzt, der Produktionsfirma, die für Tykwers Film verantwortlich zeichnet. Man tut den Mitgliedern der Akademie sicher Unrecht, wenn man annimmt, ihr Wahlverhalten sei durch Rohrbachs Artikel unmittelbar zu beeinflussen. Das ändert aber nichts daran, dass das Loblied des Akademie-Präsidenten auf einen Film, an dessen Erfolg er Geld verdient, eine unzulässige Verquickung von Interessen darstellt.

Bernd Neumann seinerseits reagiert auf die Anwürfe, als entbehrten sie jeder Grundlage. Im Gespräch mit der Zeit äußerte er Zufriedenheit, am Abend der Verleihung sagte er, dass sich das neue Verfahren „insgesamt bewährt“ habe. Zu einem Gespräch mit der taz fand er keine Zeit, und selbst zu kurzen Stellungnahmen auf vier kritische Fragen – etwa die nach dem auffälligen Fehlen der Filme, die der Berliner Schule zugerechnet werden – war er, aus Zeitgründen, wie eine Sprecherin des BKM verlauten ließ, nicht in der Lage.