Verloren, betrunken und auf dem rechten Fleck

MOTTO In der Straßenbahn und neben der Toilette: Wo sind die Herzen der Besucher?

Das Motto des Kirchentags lautet „… da wird auch dein Herz sein“. Aber wo genau ist es? „Mein Herz ist hier“, sagt Sandra, die 16 Jahre alt ist und als Helferin auf dem Kirchentag arbeitet. Sie steht an einem Ausgang des Messegeländes und zeigt den richtigen Weg zu Hallen, Toiletten und Imbissbuden. „Aber alle meine Freunde sind hier. Dazu gibt es gute Musik und Sonne.“

Musik ist für Sabine, 32, etwas Besonderes. „Ich bin mit meinem Chor hier. Wenn ich singe, kann ich alles um mich vergessen. Dann bin ich irgendwie ganz da.“ Sie trete besonders gerne mit Kirchenliedern auf, höre aber eigentlich alles. Heut Abend etwa spielten die „Wise Guys“. Da wolle sie auch hin. Ein Paar sieht das mit dem Herzen ganz anders. Sie haben ihres verloren. Natürlich aneinander. Sie lachen und gehen weiter. Pfadfinder stehen in Gruppen beisammen, laufen als Helfer umher. Einer sagt, heute Abend wird sein Herz bei einem Bier sein. Er hat eine der wenigen stressigen Aufgaben und muss an der Straßenbahn aufpassen. Die sind chronisch überfüllt. Im Inneren wird gedrängt, Haut reibt an Haut. Es ist heiß. Das stört Marius, 63, nicht. „Mein Herz ist da. Mir geht es gut.“ Das sei lange anders gewesen. Nun freue er sich einfach, gesund zu sein. Danach strebe er. Ein Ruck geht durch die Bahn, sie soll anfahren, aber es geht nicht. Sie ist zu voll. Der Fahrer sagt: „Das klappt so nicht. Aber keine Sorge, das kriegen wir schon hin.“ Er wartet, gibt einige Ratschläge. Probiert es noch mal. Irgendwann kann es weitergehen.

Später in einer anderen Bahn. Sie ist fast leer. Ein paar Leute stehen am Ausgang. Sie scheinen nicht so recht zu wissen, wo sie sind. Der Fahrer steht auf, kommt nach hinten, fragt, ob er ihnen helfen könne, und beschreibt ihnen den Weg. Eine alte Frau flüstert: „Na, sieh einer an. Solche Bahnfahrer haben die hier. Der hat sein Herz am rechten Fleck.“ RASMUS CLOES