Archäologen vermelden Coup

Israelisches Expertenteam will nach jahrzehntelanger Suche das Grab von Herodes dem Großen im Westjordanland gefunden haben. Schriftliche Beweise dafür gibt es nicht

BERLIN taz ■ Drei Wochen hat der prominente israelische Archäologe Ehud Netzer seinen großen Coup geheim gehalten. Gestern kam die Verkündigung auf einer Pressekonferenz in Jerusalem: Es ist ein Grab gefunden worden, das mit hoher Wahrscheinlichkeit das des Herodes’ des Großen ist.

Damit hat Netzer nach Ansicht der Fachwelt dem Heiligen Land sein letztes archäologisches Geheimnis entlockt. Zwischen Bethlehem und Jerusalem ist sein Team fündig geworden. Obwohl keine Inschrift Herodes’ Namen nennt, geht Netzer von Authentizität aus. Immer wieder hatten Archäologen und auch Grabräuber vergeblich nach dem Grab gesucht, das laut antiken Quellen mit wertvollen Beigaben ausgestattet war.

Es könne nach dem Ergebnis der Untersuchungen und Beschreibungen des jüdischen Geschichtsschreibers Josephus Flavius keinen Zweifel an der Fundstelle geben, hieß es. Menschliche Knochen seien aber nicht gefunden worden. Der Fund ist, wenn er sich als authentisch erweist, historisch eine Sensation.

Rein museal betrachtet kamen die Wissenschaftler jedoch zu spät. Sie fanden nur noch Überreste des Sarkophags. Die Schätze, mit denen der berüchtigte König im Jahr 4 nach Christus bestattet wurde, sind längst geraubt. Netzer vermutet, dass bereits kurz nach Herodes’ Tod jüdische Rebellen den Sarkophag zertrümmert haben – aus Protest gegen die römische Regierung, die Herodes als Statthalter eingesetzt hatte. „Hier hat jemand das Monument mit Hammerschlägen gezielt zerstört“, erklärte Netzer.

Nicht wie vermutet unter dem prachtvollen Gebäude fand sich das Grab, sondern am Hang der Festung Herodion, erklärte Netzer auf der Pressekonferenz. Die Festung hatte der Kleinkönig 24 vor Christus als Residenz gebaut. Das Gebiet liegt im heute israelisch besetzten Westjordanland. Netzer selbst gräbt dort seit 1972 und hat bereits mehrere Bücher über die Gräber der Hasmonäer-Dynastie und den Palast des Herodes geschrieben.

Herodion ist das eindrucksvolle Hauptquartier eines Lokaldespoten des 1. Jahrhunderts, der gern standesgemäß wohnte und guten Grund hatte, sich vor seinen Untertanen zu verschanzen. 44 Jahre lang herrschte er über die römische Provinz Judäa. Die sittenstrengen Juden sahen in ihrem Herrscher einen Büttel der römischen Heiden und nahmen Anstoß an seinem westlichen Lebensstil. Was Herodes wirtschaftlich für sein Land erreichte, ist in der Überlieferung zurückgetreten hinter empörenden Geschichten über Orgien im Palast und Morden an Kleinkindern. Für derlei Gerüchte fand sich niemals eine wissenschaftliche Bestätigung.

Das Neue Testament bediente sich der Person Herodes gern als Hassfigur. Die moderne Geschichtswissenschaft hält ihm hingegen seine Verdienste um die Modernisierung des Landes zugute. Der israelische Fremdenverkehr dankt ihm seine vielen rentablen Ruinen, die jedes Jahr Touristen in Scharen in das Land locken. Nun kommt eine weitere Attraktion hinzu.

CHRISTINE KEILHOLZ