100.000 mal erfasst

Die Polizei sammelt immer mehr DNA-Spuren. LKA: Kein Täter mehr sicher. Datenschützer sehen „Totalitarismus“

DÜSSELDORF taz ■ Die Polizei in Nordrhein-Westfalen sammelt immer fleißiger DNA-Spuren. Wie das Landeskriminalamt gestern in Düsseldorf mitteilte, wurde Ende April der 100.000te Datensatz aus Nordrhein-Westfalen in die bundesweite DNA-Datei beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden eingespeist. Rund 79.000 Datensätze stammen von Personen, 21.000 von Tatortspuren. Geht es so weiter, hat sich die Zahl der gespeicherten NRW-Daten seit 2005 bald verdoppelt. Damals hatte die Polizei rund 60.000 DNA-Proben, ein Jahr später schon rund 72.000, zu Jahresbeginn 2007 rund 92.000.

„Mit der DNA-Analyse besitzen wir ein hervorragendes Instrument zur Bekämpfung und Verhütung schwerwiegender Straftaten“, sagte der Direktor des Landeskriminalamts, Wolfgang Gatzke. Seit die Datenbank 1998 eingeführt wurde, sei in 8.400 Fällen ein Täter identifiziert worden. Auf diese Weise hätten 62 Tötungsdelikte, 157 Sexualverbrechen, 584 Raubstraftaten und 7.140 Diebstahls- und Unterschlagungsdelikte aufgeklärt werden können. „Kein Täter kann mehr sicher sein, dass er unentdeckt bleibt“, so Gatzke.

Datenschützer kritisieren seit langem die „Sammelwut“ der Polizei. Damit drohe ein neuer „Techno-Totalitarismus“, warnte „padeluun“, Vorstand beim Bielefelder Datenschutzverein „Foebud“. Datensätze dürften nicht auf Verdacht angelegt werden, kritisierte Johann Bizer vom Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Schleswig-Holstein. „Damit würde die Beweislast umgedreht.“ Fragwürdig sei auch die Art, wie Daten seit der Änderung der Strafprozessordnung 2005 erhoben werden: ohne richterlichen Beschluss, wenn der Betroffene freiwillig einwilligt. Das ULD fürchtet, dass viele nur einwilligen, um sich nicht selbst verdächtig zu machen. DIRK ECKERT