Aus Wut und Verzweiflung

EUROPA Zehntausende Kurden demonstrieren gegen den IS-Terror und für Hilfe für Kobani

DÜSSELDORF taz | Mehr als 20.000 vornehmlich kurdische Demonstranten sind am vergangenen Samstag durch Düsseldorf zum Landtag von Nordrhein-Westfalen gezogen, um gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu protestieren. Sie forderten einen Hilfskorridor für die von IS belagerte nordsyrische Stadt Kobani. „Wir protestieren dagegen, dass die Weltgemeinschaft nichts gegen das drohende Massaker unternimmt“, so Can Cicek vom Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit.

Von der Bundesregierung forderten die Demonstranten, dass sie Druck auf den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan ausübt, um diesen dazu zu bringen, die Unterstützung des IS einzustellen. Außerdem verlangen sie die Öffnung der türkischen Grenze und die Einrichtung eines Korridors, über den Zivilisten Kobani verlassen und weitere kurdische Kämpfer dorthin gelangen können.

Gleichzeitig lehnen die Protestierenden Bodentruppen anderer Staaten ab, betonte Civek. „Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe.“ Dass die Bundesregierung Waffen an die kurdisch-irakischen Peschmerga liefert, den Menschen in Kobani diese Hilfe aber versagt wird, stößt bei den Kurden auf scharfe Kritik. „Es ist falsch, zwischen guten und bösen Kurden zu unterscheiden“, so Ali Ertan Toprak von der Kurdischen Gemeinde in Deutschland.

Die Stimmung der Kurden schwankt zwischen Wut und Verzweiflung. „Wir fürchten Massaker in Kobani“, sagte Salih Müslim, Vizevorsitzender der syrisch-kurdischen Partei PYD, bei der Abschlusskundgebung. Für die Linkspartei sprach der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Wolfgang Gehrcke. Neben der Öffnung der türkisch-syrischen Grenze forderte er: „Die Grenzen müssen auch in Deutschland offen sein für Menschen, die fliehen.“

Abseits dessen blieben die Kurden weitgehend unter sich. Dass sich ihr Protest nicht verbreitert, dürfte auch am Führerkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan liegen. Zahlreiche der Demonstranten auf der Wiese vor dem Landtag trugen T-Shirts mit seinem Konterfei, überlebensgroße Banner mit seinem Gesicht wurden von mehreren Leute getragen. Auch auf der Bühne und am gegenüberliegenden Parkhaus prangten riesige Plakate mit Öcalans Foto.

Anders als in Hamburg und Celle in der vergangenen Woche wurde die Düsseldorfer Demonstration nicht von Salafisten angegriffen. Dafür zeigte die Polizei massiv Präsenz.

Im österreichischen Bregenz dagegen wurden 500 Kurden, die gegen die Unterstützung des IS durch die Türkei protestierten, von IS-Sympathisanten angegriffen. Nach Polizeiangaben wurden zwei Demonstranten durch Messerstiche verletzt, einer schwer. Auch in Basel demonstrierten am Wochenende rund 5.000 Kurden für Solidarität mit Kobani. ANJA KRÜGER