Wettlauf der Nervenbündel

Hansa Rostock gewinnt zwar bei 1860 München mit 2:1, aber der Aufstieg in die erste Liga ist noch nicht sicher, da auch der SC Freiburg und MSV Duisburg ihre Spiele auswärts gewinnen

AUS MÜNCHEN RONNY BLASCHKE

Die Spieler des FC Hansa wussten nicht so recht, wie sie mit der Ankündigung des Rostocker Oberbürgermeisters umgehen sollten. Roland Methling hatte unter der Woche gesagt, er würde auf dem Rückflug seiner Dienstreise von Bulgarien mit dem Fallschirm über der Münchner Arena abspringen, sollte Hansa beim TSV 1860 den Aufstieg in die erste Liga perfekt machen. Nicht jeder wollte diesen Optimismus teilen, schließlich hatten nicht nur Rostock, sondern auch die Verfolger Duisburg, Fürth und Freiburg vor einer Woche verloren. Der Kampf um die lukrative Versetzung war zum Schneckenrennen geworden.

Roland Methling kann sich auch an diesem Montag wieder von der Rostocker Bürgerschaft beschimpfen lassen. Er musste sein Leben nicht riskieren, da der FC Hansa zwar 2:1 gegen 1860 München gewann, die Konkurrenz aber bis auf Greuther Fürth ebenso punktete. So war das sonntägliche Drama relativ undramatisch: Duisburg ging in Paderborn früh in Führung, zu diesem Moment hatte der MSV die Rostocker von Platz zwei verdrängt. Fürth lag in Unterhaching schnell zurück. Die Spielstände waren an der Anzeigetafel in München noch nicht gezeigt worden, da schaltete sich auch Rostock in den Wettlauf der Nervenbündel ein: Ausgerechnet Christian Rahn, dessen Launenhaftigkeit den Saisonverlauf des FC Hansa symbolisierte – den starken Beginn und den schleichenden Niedergang –, erzielte die Führung durch einen wuchtigen Freistoß aus gut 35 Metern.

Mehr als 10.000 Fans skandierten nun lautstark die gängigen Zweitliga-Abschiedsgesänge. Hatte die Vorbereitung die gewünschte Wirkung erzielt? Die Rostocker, die vor der Partie vier Spiele nicht gewonnen hatten und die zweitschlechteste Torquote der Rückrunde besaßen, hatten sich drei Tage von der Außenwelt abgeschottet. Der genaue Standort des Trainingslagers im Süden Bayerns wurde geheim gehalten. Trainer Frank Pagelsdorf, der wie seine Kollegen von der Konkurrenz keine Sportpsychologen in seinem Stab beschäftigt, nutzte die Zeit für Einzelgespräche.

Enrico Kern befreite sich mit einem erfolgreichen Sololauf aus seinem Leistungstief. Das 0:2 (24.) war nötig, schließlich schienen sich auch die Verfolger nach einem Drittel der Spielzeit ihren Weg zu ebnen. Fürth erzielte den Ausgleich, Duisburg erhöhte auf 2:0. Und auch Freiburg ging im badischen Derby beim Karlsruher SC in Führung. Und Kaiserslautern zog in Jena nach. Aus den Schnecken waren scheinbar hormonüberdrehte Raubkatzen geworden. Am Tabellenstand hatte sich nach der ersten Halbzeit kaum etwas geändert. Nur Kaiserslautern war so gut wie aus dem Rennen, wie ein ungebetener Gast schien der FCK die Party verlassen zu müssen.

Die zweite Hälfte begann vergleichsweise harmonisch. 1860 erarbeitete sich Chance um Chance, die größte hatte der ehemalige Rostocker Stürmer Antonio di Salvo, der aus vier Metern das leere Tor kläglich verfehlte. In allen Stadien passierte wenig. Bis zur 78. Minute. Münchens Berkant Göktan verkürzte auf 1:2. Wenig später gingen neun Unterhachinger gegen Fürth in Führung, Freiburg und Duisburg machten den Sieg dagegen perfekt. Die Rostocker fielen nach dem Abpfiff erschöpft zu Boden. Für Feiern hatten sie keine Kraft.

Die Entscheidung ist vertagt. Und Bürgermeister Methling muss sich einen neuen Plan ausdenken.