Party der Scheinheiligen

In Italien beging die katholische Kirche den „Familiy Day“. Dessen Botschaft: Keine Rechte für Schwule und Lesben!

Es war ein Familienidyll, wie es die Werber für Pasta-, Snack- oder Fertigpizzasorten nicht besser hätten inszenieren können. Herrliches Wetter, strahlende Kleinkinder, bemuttert von ihren großen Geschwistern, während Mamma und Papa stolz auf die kaum noch zu zählende Kinderschar blicken, das Ganze vor der Kulisse der Basilika San Giovanni: Italiens katholische Kirche hatte am Samstag zum „Family Day“ eingeladen.

So harmlos-kitschig sich die Veranstaltung präsentierte, mit einem saublöden Sänger auf dem Podium, der zur Freude nicht nur der Kleinen, sondern auch der infantilisierten Erwachsenenschar seinen saublöden Hit „E i bambini fanno oh“ („Und die Kinder machen Oh“) zum Besten gab – es handelte sich dennoch nicht um einen zu groß geratenen Familienausflug.

Ein eminent politisches Anliegen verfolgten die zu Hunderttausenden angereisten Teilnehmer, eingeladen von ausnahmslos allen katholischen Verbänden des Landes und mobilisiert von den Pfarreien. Sie wollten die Fahne der „Family“ hochhalten, die sich dann aber schnell sehr italienisch als „famiglia tradizionale“ präsentierte. Gute Gründe nannten die Sprecher für den Massenauftrieb: Italiens Staat gebe so gut wie nichts für Familien und Kinder aus, hieß es in allen Reden vom Podium. Das stimmt durchaus. Doch die gute Frage ist: Warum fällt das den Katholiken gerade jetzt ein? Und warum applaudieren sie einem greisen Giulio Andreotti, wenn der auf dem Kundgebungsplatz eintrifft? Andreottis Christdemokraten hatten jahrzehntelang Italien regiert – und die Chance versäumt, all die schönen Dinge zu realisieren, vom Steuervorteil zum Kita-Platz, die jetzt plötzlich aufgebrachte Katholiken von Romano Prodis Regierung wollen.

Und warum applaudierten sie einem Silvio Berlusconi (geschieden, in zweiter Ehe in Sünde lebend) und den Vorsitzenden der mit ihm alliierten Parteien (alle ebenfalls in Sünde lebend, da geschieden oder mit geschiedenen Frauen verheiratet), die in ihrer Regierungszeit familienpolitisch nichts bewegt hatten? Es war eben die katholische Nummer, schön dahergeheuchelt und sehr positiv („mehr Familie“), mit einer aber rundweg negativen Ansage, auch wenn die im Demo-Aufruf gar nicht vorkam: Wir wollen keine eingetragenen Lebensgemeinschaften für Schwule und Lesben.

Da las man so schöne Transparente wie „Gott erschuf Mann und Frau“ oder gar die wichtige Info „Jesus kam in einer Familie zur Welt“ (sehr mutig These, man bedenke die seltsame Rolle Josefs in dieser Familie), da forderte der Sänger Giuseppe Povia auch noch allen Ernstes, man solle Eltern von Kleinkindern die Scheidung verbieten. Die Botschaft war immer gleich: Familie ist, was vom Vatikan abgesegnet ist. Schwule fallen da nicht drunter. Keiner mochte so recht erklären, warum die Einräumung von ein paar Rechten an homosexuelle Paare nun die katholische Familie bedrohen soll – aber ebendies war das am Samstag vorgetragene Grunddogma. Es hat beste Chancen, den Sieg davonzutragen. Bei den Katholiken demonstrierten gleich auch zwei Minister aus der Prodi-Regierung mit – und bei der Gegen-Demo der Befürworter der Schwulenehe verloren sich höchstens 5.000 Teilnehmer. MICHAEL BRAUN, ROM