WEDDING LADY
: Das neue Blaue

Vor Hitze war mir schon ganz schwindelig

Ich hatte mein neues Kleid an, das blaue. Es ist kurz und ein bisschen durchsichtig, dazu viele goldene Knöpfe, ein guter Ausschnitt und obenrum erinnert es an die Uniform eines Flugzeugstewarts.

Es war ziemlich heiß in den Straßen und auch in den U-Bahn-Schächten; obwohl es schon Abend war stand die Hitze nur so herum. Ich las in einer alten FAZ einen Artikel über die Arktisexpedition von Payer und Weyprecht und wünschte mir, ich hätte diese Doppelseite selbst geschrieben. Nicht, weil ich es besser gemacht hätte, sondern, weil mich Arktisexpeditionen so sehr interessieren und ich gern selbst Christoph Ransmayr dazu interviewt hätte. Beim Erinnern an seinen Roman „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ fuhr ich versehentlich eine Station zu weit und musste vom Mehringdamm zum Halleschen Tor zurückfahren.

Mir war schon ganz schwindelig von der Hitze, und ich bestellte am Bahngleiskiosk eine Cola. „Kommt sofort, schöne First Lady“ sagte der Mann im Kabuff, als er in den Kühlschrank griff. Mir ploppte Angela Merkel ins Hirn. Wäre ich First Lady, wenn ich die, äh: Partnerin von Frau Merkel wäre? Ach nein, wohl eher die des Bundespräsidenten, was die Sache nicht gerade besser macht.

Andere First Ladys fielen mir ein, alle irgendwie schlimm. Seh ich etwa schwanger aus wie die Bruni? Verkniffen-toupiert wie Cherie Blair? Und wie heißt überhaupt die aktuelle englische First Lady? Der Mann im Kiosk sah mich etwas seltsam an, mein Gesichtsausdruck ging wohl ins Gequälte. Schnell trank ich meine Cola aus und ging ins Wau (so heißt das leider). Dort saßen lauter schöne, nett und intelligent aussehende Männer und Frauen im besten Alter und waren auch noch super gekleidet. Die sehe ich im Wedding nie, dachte ich. Und kam mir vor, wie eine Landpomeranze auf Großstadtbesuch. KIRSTEN REINHARDT