Swingerclub für „Raubkopierer“

RAZZIA Seit Mittwoch ist die Streaming-Seite kino.to abgeschaltet, ihre Betreiber festgenommen. Aber wie illegal ist die Seite und ihre Nutzung eigentlich?

Die Seite kino.to galt selbst im Milieu sogenannter Produktpiraten als Abzockerbude

VON BURKHARD SCHRÖDER

Die populäre Website kino.to gibt es nicht mehr. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat sie schließen lassen. Nun stellt sich die Frage: War kino.to eine „Raubkopierer-Seite“ oder unterstützte sie „Produktpiraterie“? Das haben die Betreiber in Interviews stets weit von sich gewiesen. Kino.to bot Links zu anderen Websites in ganz Europa an, auf denen man Filme sehen konnte, für die man, wenn es nach den Privateigentümern dieser Werke ging, hätte bezahlen müssen. Ist das überhaupt strafbar? Selbst das ist juristisch umstritten.

Wer jetzt kino.to aufruft, liest, die Domain sei wegen des „Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur gewerbsmäßigen Begehung von Urheberrechtsverletzungen“ geschlossen und mehrere Betreiber seien festgenommen worden. Die Nutzer müssten mit „strafrechtlicher Verfolgung“ rechnen. Das kann man als Propaganda abtun. Denn kino.to war eine klassische Streaming-Seite: Filme konnten dort vor allem per Browser angesehen werden. Der Konsum solcher „Streaming-Dienste“ ist nach Meinung einiger Juristen nicht strafbar, solange man keine Kopie der Datei auf den eigenen Rechner lädt oder Zusatzsoftware nutzt, die das ermöglicht – wie bei Filesharing-Programmen.

Haben die Ermittlungsbehörden mit ihren Razzien in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden also tatsächlich zu einem „heftigen Schlag gegen Urheberrechtsverletzer ausgeholt“, wie Pressemitteilungen behaupteten? Dreizehn Personen wurden festgenommen – ob die wacklige Rechtsgrundlage, auf der dies geschah, ausreicht, um sie zu verurteilen, ist aber unklar. Die Nutzer von kino.to, die zu den 50 populärsten deutschen Webseiten zählt, sind wohl ohnehin kaum in Gefahr, da ihre Rechneradressen nicht gespeichert wurden.

Laut der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) prellen „Raubkopierer“ die deutsche Filmindustrie jährlich um insgesamt mehrere hundert Millionen Euro. Unabhängige Quellen für diese These existieren nicht. Für die GVU ist kinto.to das, was für Jugendschützer ein Sadomaso-Swingerclub ist: eigentlich legal, aber aus höheren moralischen Erwägungen besser zu verbieten.

Im April hatte die GVU nach eigenen Ermittlungen Strafantrag gegen die Betreiber von kino.to gestellt. Die Polizei ermittelte zuvor schon mehrere Jahre gegen die Seite. Die Betreiber lieferten sich mit den Ermittlungsbehörden ein Katz-und-Maus-Spiel. Denn das Länderkürzel „.to“ sagte nichts über den Standort der Seite aus. Zeitweilig geriet eine niederländische Firma unter Verdacht. Doch diese Spur verlor sich bald.

In Sachsen aber ließ man nicht locker: Die dortige Staatsanwaltschaft nahm an, dass die kino.to-Betreiber mit den Streamhostern – also Websites, auf die verlinkt wurde – unter einer Decke steckten. Die Integrierte Ermittlungseinheit Sachsen (Ines), die ursprünglich Korruption bekämpfen sollte, wurde auf den Fall angesetzt. Sechs Staatsanwälte und über 30 weitere Mitarbeiter arbeiteten daran – bis kino.to nun abgeschaltet wurde.

Auf Solidarität können die Betreiber von kino.to nicht hoffen – denn selbst bei denen, die sie gern nutzten, überwiegt die Schadenfreude. Das Portal galt selbst im Milieu sogenannter Produktpiraten als Abzockerbude, war mehrfach Ziel von Hacker-Angriffen. Die Betreiber verdienten nicht nur Geld mit Werbung und Premiumdiensten, die angeblich schnellere Downloads ermöglichten. Sie versteckten auch kostenpflichtige Abos auf ihrer Website.

Doch auch die GVU, auf deren Betreiben kino.to abgeschaltet wurde, operiert an den Grenzen der Legalität: 2006 berichtete die Computerzeitschrift c’t, dass die GVU selbst den Betrieb von Raubkopierer-Servern finanziell unterstützt habe, es kam zu Hausdurchsuchungen.