Erdogans Istanbul 21

GROSSPROJEKTE Am Sonntag wird in der Türkei gewählt. Der türkische Ministerpräsident will nach seinem Sieg mit riesigen Bauvorhaben den Boom der Stadt nutzen und ihr Gesicht für immer verändern

ISTANBUL taz | Ministerpräsident Tayyip Erdogan scheint vor der Parlamentswahl in der Türkei am Sonntag endgültig dem Größenwahn verfallen zu sein. Für seine dann dritte Amtsperiode rechne er mit einer Zweidrittelmehrheit für seine derzeit regierende islamische AKP im Parlament, sagte er auf seiner letzten Großkundgebung in Istanbul, weniger käme schon einer Niederlage gleich. Doch nicht nur seine Erwartung an den Wahlausgang spricht für Erdogans Größenwahn, auch die Vorhaben, die er im Falle seines Wahlsiegs vorantreiben will, sprechen dafür.

Hauptziel seiner Visionen für eine neue Türkei ist dabei die Metropole Istanbul. Erdogan will Istanbul so ausbauen lassen, dass die Stadt, in der jetzt schon 15 Millionen Menschen leben, zu einer Megacity mit 25 Millionen Einwohnern wird. Um einen neuen Großraum zu schaffen, will er rund hundert Kilometer westlich des Bosporus einen gigantischen Kanal bauen lassen, der wie der Bosporus das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbinden soll. Dazu dient auch der Bau einer dritten Brücke über den Bosporus, die die Erweiterung der Stadt auf das asiatische Ufer unterstützen soll. Sie habe ein „Milliarden-Dollar-Potenzial“, zitieren Istanbuler Zeitungen ortsansässige Makler. Geopfert würden den Großprojekten die letzten Wälder und Naturschutzgebiete in der Umgebung der Stadt. Doch der Größenwahn hat Methode: Istanbuls Immobilienmarkt ist derzeit einer der lukrativsten weltweit, eine Studie bescheinigt der Stadt das größte Wachstumspotenzial unter 150 globalen Ballungszentren. Viele Anhänger des Premierministers hoffen, mit seinen Visionen viel Geld verdienen zu können. JG

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