Bundesverdienstkreuzzug

Erster Teil der Serie „Menschen in Beirut“: Friedensdienst und Bastelarbeiten – das Pfarrerehepaar Friederike und Uwe Weltzien ist in den Libanon gezogen, um eine deutsche Gemeinde zu leiten

VON JASNA ZAJCEK

Gestern erhielt das Pfarrerehepaar Friederike und Uwe Weltzien das Bundesverdienstkreuz, verliehen vom Deutschen Botschafter im Libanon. Die beiden ehemaligen taz-Leser – „jetzt lesen wir sie online, aber eigentlich haben wir nicht einmal dafür die Zeit“ – stammen aus der Nähe von Stuttgart, trafen sich aber erst beim Studium an der FU Berlin. Als Kind hatte Friederike bereits im Libanon gelebt, und so war es für sie nur logisch, mit ihrem Ehemann in die Heimat ihrer Jugend zurückzukehren. Vor allem, da dort „noch so viel im Bereich Friedensarbeit gemacht werden muss“, erklärt die Mittvierzigerin, die Sanftmut ausstrahlt.

Heute teilt sich das Ehepaar eine Pfarrerstelle in der Deutschen Evangelischen Gemeinde zu Beirut. Die Gemeinde, die die beiden leiten, ist offen für alle – modern und protestantisch. Da die Finanzierung der Auslandskirchen der EKD im Jahr 2011 ausläuft und sich die 130 Mitglieder starke Gemeinde dann selbst finanzieren muss, wurde unter Leitung der Weltziens ein Mietshaus gebaut: für Singles, die im libanesischen Gesellschaftssystem nicht vorgesehen, aber doch existent sind.

In der Gemeinde treffen sich die im Libanon lebenden Deutschen bereits seit 150 Jahren. Sonntags findet ein „gewohnt deutscher Gottesdienst mit kleinen Überraschungen“ statt, bei dem der Leiter des Beiruter Goethe-Instituts, Norbert Spitz, die Orgel spielt. Weiter gibt es Kindertanz, dringend benötigte psychosoziale Beratungsstunden, Basteln für den Weihnachtsmarkt mit Lebkuchen und Plätzchen und vieles mehr. Dienstags werden beim Frauentreff deutsches Brot und Berliner verkauft, die aus einer Behindertenbäckerei im Süden des Landes geliefert werden. Nach dem Bürgerkrieg hatten die beiden auch die Begegnungsstätte „Dar Assalam“ (Haus des Friedens) initiiert, um den verfeindeten Parteien die Chance zu einem Neuanfang auf neutralem Boden zu geben.

Die Eltern von vier Kindern sind stark engagiert in Bereichen, die die Aufgaben einer normalen Pfarrei weit übersteigen. Trotzdem wissen sie nicht genau, warum sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen wurden, denn: „Durch unsere israelkritische Haltung im letzten Krieg haben wir der Regierung auch viel Ärger bereitet“, wie Uwe Weltzien sagt. Nach Gesprächen mit den beiden fühlt man jedoch: Verdient haben sie die staatliche Anerkennung allemal. Friederike, die außer als Pfarrerin auch als Tanztherapeutin tätig ist, beschreibt ihre Arbeit als anstrengend, aber zu wichtig, um das Pensum reduzieren zu können. Während des israelisch-libanesischen Krieges im Sommer 2006 richteten die Weltziens eine 24-Stunden-Telefonhotline für ausreisewillige, vom Krieg betroffene Menschen ein. Sie organisierten Ausreisen und Passangelegenheiten für Deutsche, die schon so lange im Libanon lebten, dass sie sich nicht mehr bei der Deutschen Botschaft registriert hatten. Aber auch den vom Krieg betroffenen Menschen anderer Konfessionen wurde im Rahmen der Möglichkeiten geholfen.

Gemeindemitglieder besetzten 24 Stunden am Tag die drei permanent belegten Telefonleitungen. Doch auch nach dem Krieg haben die beiden keine Ruhe: Ihre Hilfe wird gebraucht. „Kindesentführungen“, seufzt Friederike, „sind das häufigste Delikt, neben häuslicher Gewalt, und die hat seit dem Krieg stark zugenommen.“

Die Weltziens versuchen stets zu helfen, obwohl ihre juristischen Chancen begrenzt sind. Zumindest aber konnten sie in ihrer Zeit in Beirut eine Liste vertrauenswürdiger Anwälte zusammenstellen, die garantiert nur für eine Streitpartei arbeiten – zu oft war es vorgekommen, dass der Anwalt für beide arbeitete und vertrauliche Informationen einer Klientin gegen Geld an deren Mann weitergab.

Trotz aller Herausforderungen lassen sich die beiden nicht unterkriegen: Der Pfarrervertrag wurde bereits einmal verlängert – obwohl sie sich vor knapp acht Jahren, bevor sie die Stelle in Beirut antraten, gerade ein Haus in Deutschland gekauft hatten. Im nächsten Jahr aber wollen sie endgültig nach Deutschland zurückgehen: Friederike will wieder als Tanztherapeutin arbeiten und sich um ihr fünfjähriges Kind kümmern. Uwe möchte erneut junge Erwachsene unterrichten.

Zuvor muss jedoch erst noch das erste Frauenhaus im Libanon gebaut werden. Uwe Weltzien möchte noch einige Friedensreden halten, live auf Sendung, auch vor der Hisbollah. Und das Ehepaar kämpft weiter, Seite an Seite, für Gesetze gegen häusliche Gewalt im Libanon. Dinge eben, die manchmal nicht einmal mehr Zeit lassen, die taz im Internet zu lesen.