Kein Gebrauch für Brücken

Seit Anfang des Monats hat die Deutsche Welle ihr Programm für den arabischen Raum ausgebaut. Mit dieser Info-Offensive ist der deutsche Auslandsrundfunk dort nicht allein – aber auch nicht beliebt

Der deutsche Auslandsrundfunk ging am 3. Mai 1953 mit deutschsprachigem Hörfunk zum ersten Mal auf Sendung. Mittlerweile produziert die öffentlich-rechtliche Anstalt auch Fernsehprogramme und Internetangebote in Deutsch und Englisch sowie rund 30 weiteren Sprachen. Finanziert wird die Deutsche Welle aus Steuergeldern und nicht durch Rundfunkgebühren wie die anderen öffentlich-rechtlichen Sender, die ihr Programm für den deutschen Markt produzieren. DENK

VON CHARLOTTE MISSELWITZ

Rund zehn Millionen arabische Haushalte empfangen seit diesem Monat Nachrichten aus Berlin, mit einfliegendem Erdball und Jingle wie beim Vorspann der „Tagesschau“: Die Deutsche Welle hat ihr Programm von drei auf täglich acht Stunden verstärkt. Laut Chefredakteur Mustafa Isaid will sie so „Marokko bis Saudi-Arabien mit deutschen und europäischen Perspektiven auf Arabisch beliefern“. Mit Isaid scheint man den richtigen Mann für das ambitionierte Projekt gefunden zu heben: Er ist gebürtiger Palästinenser und lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland.

Doch nicht nur die Deutsche Welle, auch andere europäische Sender bemühen sich in letzter Zeit verstärkt um die Region. France 24 ist im März mit seinem arabisch-sprachigen Programm auf Sendung gegangen, Russia Today will demnächst ausbauen. Und alle erwarten gespannt den Start der arabischen BBC im kommenden Herbst. Dass der US-Sender Al Hurra schon vor drei Jahren den Markteinstieg versuchte und bis heute eine Zuschauerquote zwischen null und einem Prozent verzeichnet, schreckt nicht weiter ab.

Auslöser 11. September

Ausschlaggebend für die westlichen Initiativen waren laut Programmchef Isaid „Informationslücken“: „Nach dem 11. September erkannte man ein Strukturproblem, nämlich dass es zu wenig gute arabische Korrespondenten im Westen gibt.“ Bei der Deutschen Welle befand man, dass ein eigener Sender die Lösung sei – und gründete 2004 den arabischen Ableger. 2006, nach dem Streit um die Mohammed-Karikaturen, schienen sich noch mehr „Informationslücken“ aufgetan zu haben – und die arabische Deutsche Welle wurde nochmals ausgebaut. Mit dreißig statt zehn Mitarbeitern und zusätzlichen zwei Millionen Euro hat man sich personell wie finanziell verdreifacht.

Das Medienecho in der arabischen Welt bleibt dennoch verhalten. Nabil Chatib, Vizechefredakteur des arabischen Fernsehsenders al-Arabia, meint: „Interkulturelle Brücken bauen ist richtig. Aber zusätzliche Sender auf einem Markt mit 250 arabischen Sendern sind Zeit- und Geldverschwendung.“ Aus der arabischen Perspektive hätten die westlichen Absichten ohnehin eher missionarische Färbungen. „Nach dem 11. September 2001 sahen viele westliche Länder die Notwendigkeit, die arabische Welt zu beeinflussen“, so Chatib. „Unzählige Studien wurden gemacht. Aber die Schlussfolgerungen, die heute implementiert werden, sind falsch.“ Statt auf Kooperation habe der Westen nämlich auf Konfrontation gesetzt: „Warum wurde nicht mit den schon vorhandenen Strukturen zusammengearbeitet? Al-Arabia erreicht 40 Prozent der arabischen Zuschauerwelt. Hätten die bei uns gesendet, wäre ihr Publikum größer.“

Deutsche-Welle-Mann Isaid sieht in der Konkurrenz kein Problem: „Das ist kein Kampf. Das ist eine mediale Notwendigkeit bei Informationslücken überall auf der Welt. France 24 wird andere Gebiete abdecken, vermutlich die ehemaligen französischen Einflusssphären im arabischen Nordafrika. BBC nimmt sich den Bereich seiner früheren Kolonialgebiete im Osten des arabischen Raumes vor. Und al-Dschasira auf Englisch, die machen umgekehrt genau dasselbe wie wir: Sie senden aus der arabischen Perspektive für die westliche Welt. Die verschiedenen Medien ergänzen sich.“

Isaids Standpunkt ist typisch für den westlichen Norden: Hier glaubt man, Verständigung durch Medienvielfalt zu erreichen. Aber die Idee von der gemeinsamen Sache teilt nicht jedes Medium. Bei der englischen Version des arabischen Senders al-Dschasira versteht man sich ganz und gar nicht als Deutsche Welle in Grün. „Wir verwenden unsere gesamten Energien, den Strom der Informationen in den globalen Süden in den Norden zurückzuleiten“, sagt der Chef der Nachrichtenredaktion, Steve Clark. Dass die europäischen Medien nun nachlegen, findet er „ironisch“: Nachrichten würden so vom Norden, also den Vereinigten Staaten und Europa, Richtung Süden fließen, dann, dank der Weichenstellung von al-Dschasira, wieder zurück.

Mediales Pingpong?

Funktioniert der globale Informationsfluss also als Endlosschleife, als mediales Pingpongspiel? „Es zeigt, wie wichtig die arabische Welt für die westliche Welt geworden ist“, sagt Clark diplomatisch. Gerade die Vorsicht in der Antwort verweist auf mehr: Bahnt sich ein Kampf um die Interpretationsmacht im arabischen Raum an? Vielleicht sogar eine mediale Kolonialisierung durch den Westen?

So weit würde dann doch keiner der befragten arabischen Medienvertreter gehen. Bislang registriert der Süden vor allem das westliche Interesse an sich – und ignoriert die westlichen Sender. Die Skepsis gegenüber dem westlichen Engagement überwiegt. Doch nicht nur die arabische Deutsche Welle ist im Anfang begriffen. Auch das Ringen in der Region um Medienvielfalt und Einfluss.