Volle Klassen, Lernen im Dreischichtbetrieb

Kostenlose Grundschulbildung für alle ist eines der wichtigsten Instrumente, um in Afrika die Armut zu verringern. Das bitterarme Mosambik hat sie nun eingeführt – aber es braucht mehr Unterstützung bei der Finanzierung

MAPUTO taz ■ Julio ist erst dreizehn, aber sein Gesicht trägt die Züge eines Erwachsenen. Er macht sich gerade auf den Heimweg, etwa eine Stunde vor Mitternacht. Julio kommt gerade aus der Schule. Der Tag war lang. Vor dem Unterricht hat er das Waschmittel „Omo“ verkauft, an den schmutzigen Straßenrändern der mosambikanischen Hauptstadt Maputo. Wie jeden Tag. Damit bessert Julio Sitoioie den mageren Haushalt der Familie auf, bevor er abends mit 65 Klassenkameraden die Schulbank drückt. In der riesigen „Escola Primaria“ sitzen täglich rund 4.500 Schüler und Schülerinnen, die von früh bis spät in drei Schichten büffeln.

Auch Ältere sind dabei. Dem 50-jährigen Elektriker Joaquim Ntembe ist es egal, mit viel jüngeren Leuten in die gleiche Klasse zu gehen. „Ich habe noch Wissensdurst und will mich weiterbilden,“ sagt er. Joaquim holt den Realschulabschluss nach. Er saß das letzte Mal vor mehr als dreißig Jahren einer Tafel gegenüber.

Sechzehn Jahre lang wurde in Mosambik gekämpft. Zwischen 1977 und 1992 starben eine Million Menschen in einem Bürgerkrieg, der das Land in Armut stürzte, mit Landminen überzog und drei Millionen Flüchtlinge hinterließ. Für die, die in dieser Zeit aufgewachsen sind, ist Schulbildung ein Fremdwort.

Heute fördert Mosambiks Regierung Bildung für alle. Nach dem Krieg zogen viele Menschen und Flüchtlinge in die Stadt, die wenigen Schulen waren überfüllt. Inzwischen gibt es 135 staatliche Schulen allein in Maputo, davon 110 Grundschulen. Aber landesweit ist die Qualität des Unterrichts – der strikt frontal abläuft – immer noch problematisch: überfüllte Klassenräume, im Durchschnitt 74 Schüler pro Lehrer. Mehr Lehrer wurden eingestellt, doch sie sind schlecht ausgebildet und verdienen wenig. Es herrscht Mangel an Unterrichtsmaterialien. 17 Prozent der Lehrer sind mit dem HI-Virus infiziert. Viele Kinder bleiben dem Unterricht fern, denn Hunger, Armut und lange Schulwege erschweren ihren Alltag.

Die Einschulungsrate liegt nun bei 83 Prozent – verglichen mit 44 Prozent vor zehn Jahren. Aber nur die Hälfte der Grundschulkinder kriegt überhaupt einen Abschluss. Und nur 1,3 Prozent von Mosambiks Schülern schließen die Oberschule ab.

Im vergangenen Jahr hat Mosambiks Regierung endlich Schulgebühren abgeschafft. Bis 2015 Grundschulerziehung für alle zu gewährleisten, ist ein zentrales Element der UN-Millenniumsziele und auch der G-8-Politik. „Die Strategie der Regierung ist insgesamt gut“, urteilt Dinis Miguel Machaul von der „Global Campaign for Education in Mozambique“. „Lehrer, Eltern und auch die Zivilgesellschaft werden als Berater miteinbezogen.“ Aber es fehlt an Geld. Die Vision, in zwei Schichten nur 40 Kinder pro Klasse zu unterrichten, jedes mit eigenem Lehrbuch, ist im Moment noch Theorie. 55.000 Lehrer hatte Mosambik 2004; 121.000 müssen es bis 2015 werden, um das Ziel „Bildung für alle“ zu realisieren, schätzt das UN-Kinderhilfswerk Unicef.

Für seine Schulen braucht Mosambik internationale Hilfe. 48 Prozent des Staatshaushaltes kommen aus der Entwicklungshilfe. Deutschland stellt Mosambik 2007 und 2008 92,5 Millionen Euro zur Verfügung. 8,5 Millionen gehen laut einer Vereinbarung von 2006 als Budgethilfe in den Bildungsbereich und 5 Millionen in den Schulbau. „In Maputo funktionieren zehn Schulen mit deutschem Geld“, sagt Samuel Modumela, ständiger Regierungsvertreter der Stadt Maputo. „Nicht alles läuft prima, aber im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern sind wir in guter Position.“

Die von der Weltbank 2005 initiierte internationale „Fast Track Initiative“ (FTI) soll arme Länder dabei unterstützen, Schulen einzurichten. So soll zunächst die Masseneinschulung beschleunigt werden. Voraussetzung: ein guter nationaler Bildungsplan. Aber nur wenige Länder haben die Initiative bisher effektiv unterstützt, kritisiert die mosambikanische „Globale Bildungskampagne“ in einem aktuellen Bericht. Und gab Deutschland die Note 5.

„Mosambik zeigt politischen Willen und hat schon viel geschafft“, sagt Jörn Kalinski, Koordinator bei Oxfam Deutschland. „Jetzt kommt es auf die Haltung Deutschlands als G-8-Führungsstaat an.“ MARTINA SCHWIKOWSKI