Geehrter Transplanteur unter Verdacht

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Essener Chirurg und Verdienstkreuz-Träger Christoph E. Broelsch

Das jahrelange Feilschen um Transplantationen und Organspenden hat ihn zu einem Star werden lassen: Christoph E. Broelsch, Leiter des Transplantationszentrums am Universitätsklinikum Essen, trommelt seit Jahren dafür, Organspender mit finanziellen Anreizen zu locken. „Der Spender kann sich doch von dem Geld ein Fahrrad kaufen oder ein Geschäft gründen“, ist von ihm überliefert. Doch jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den „Chirurg von Weltruf“ (WAZ). Broelsch soll einer Patientin nur gegen eine 5.000-Euro-Spende für die Wissenschaft einen Termin gegeben haben. Zuvor soll die Kassenpatientin wegen Bettenknappheit abgewiesen worden sein. Geprüft werde der Vorwurf der Vorteilsannahme und der versuchten Erpressung, bestätigte gestern eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Die Justiz beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit dem 62-jährigen Promi-Arzt aus dem Ruhrgebiet. Broelsch – der als Experte für die sogenannte Lebendorganspende gilt, bei der Kranke von lebenden Spendern eine neue Leber oder Niere bekommen – war vor mehr als drei Jahren wegen einer Operation im thüringischen Jena ins Zwielicht geraten.

Ein Patient aus Israel hatte sich an den Spezialisten gewandt. Der Israeli wollte sich von einem angeblichen Vetter aus Moldawien eine Niere spenden lassen. Das seit dem Jahr 1997 gültige Transplantationsgesetz schreibt jedoch vor, dass entweder eine familiäre oder eine enge emotionale Bindung zwischen Spender und Empfänger existiert. Gesetzlich vorgeschriebene Ethikkommissionen in den Kliniken entscheiden, ob eine solche „persönliche Verbundenheit“ vorliegt. Im konkreten Fall hatte die Essener Kommission Zweifel an der Geschichte vom vorgeblichen moldawischen Vetter – und lehnte die OP ab. Broelsch fuhr mit Spender und Empfänger nach Jena, wo er die Zustimmung der dortigen Ethikkommission erhielt und die Operation durchzog.

Damals stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder ein. „Konkrete Beweise“ für Verstöße gegen das Transplantationsgesetz seien nicht gefunden worden. Broelsch, der einst auch Johannes Rau operierte, war rehabilitiert und machte weiter Schlagzeilen mit seinen Organ-Thesen.

2004 wurde ihm vom damaligen NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) das „große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik“ überreicht. Broelsch habe das Ansehen der deutschen Medizin weltweit gestärkt, so Steinbrück. Erst Anfang Mai bezeichnete Broelsch das Transplantationsgesetz in der FAZ „als ein Verhinderungsgesetz“. Als Lobbyist für lukrative Organspenden dürfte er vorerst ausfallen. MARTIN TEIGELER