Bis zum Jüngsten Tag

Der evangelische Präses Alfred Buß schließt eine gewaltsame Räumung der Paul-Gerhardt-Kirche in Bielefeld aus. Aber so lange die Kirche besetzt ist, will die jüdische Gemeinde sie nicht kaufen

AUS BIELEFELD KATHARINA HEIMEIER

Die schwarze Flagge und die Transparente der Besetzer werden wohl noch länger an der Paul-Gerhardt-Kirche in Bielefeld hängen: Eine polizeiliche Räumung hat der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, ausgeschlossen. „Wir wollen und werden keine Gewalt anwenden“, sagte er gestern.

Seit dieser Woche sind alle Voraussetzungen für den Verkauf der Kirche an die Jüdische Kultusgemeinde erfüllt: Die Förder-Zusagen des Landes liegen vor, die Genehmigung der Kirchenaufsicht ist erteilt. „Allein die Besetzung des Gebäudes verhindert jetzt noch den Vertragsabschluss“, sagte Buß. Es bestehe die historische Chance der neu gewachsenen jüdischen Gemeinde einen Ort der Versammlung und des Gebets zu geben.

Henry G. Brandt, Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld, appellierte an die Besetzer, den Weg für eine neue Synagoge in der Stadt frei zu machen. „Solange die Kirche besetzt ist, wird kein Kaufvertrag unterschrieben“, sagte er. Was in der Paul-Gerhardt-Kirche passiere, beobachte er mit Sorge und Verständnis. Auch Präses Buß kann das Verhalten der Besetzer nachvollziehen. „Allerdings müssen sie sich auch fragen lassen, welche Auswirkungen ihr Handeln hat“, sagte er. Seit den 70er Jahren würden die Mitgliederzahlen der evangelischen Kirche sinken. Deshalb müssten Kirchen aufgegeben werden.

Allein im Kirchenkreis Bielefeld sind im vergangenen Jahr sechs Kirchen und Gemeindezentren geschlossen worden. „Das sind immer sehr schmerzhafte Prozesse“, sagte Superintendentin Regine Burg. Auch im Fall der Paul- Gerhardt-Kirche habe sie sich um Kompromisse bemüht. „Noch kurz vor der Besetzung habe ich Gespräche geführt, um dies zu verhindern“, berichtete sie. Gelungen ist es ihr nicht. „Ich bin da sehr ratlos.“

Präses Buß wies darauf hin, dass unklar sei, wie die jüdische Gemeinde auf die dauerhafte Besetzung reagieren werde. Die Kirche werde aber auf jeden Fall anders genutzt. Die jüdische Gemeinde sei nach wie vor an der Kirche interessiert, sagte Rabbiner Brandt. „Aber unendlich kann die Geschichte nicht weiter gehen.“

Doch die Besetzer wollen weiter ausharren. Zu den Gemeindemitgliedern, die seit dem 25. März in der Kirche ausharren, gehört Hermann E. Geller. Mit einem dicken Strickpulli bekleidet sitzt er im Vorraum der Kirche. Vor ihm auf dem Tisch brennt eine Kerze. Der Protest richte sich nicht speziell gegen den Verkauf an die Jüdische Gemeinde, sagt er. „Wir wehren uns gegen jeglichen Verkauf.“

Der Protest gehe bis zur festen Zusage weiter, dass sie die Kirche bis zum endgültigen Verkauf in eigener Regie nutzen könnten. Zudem müsse rechtsgültig geklärt sein, ob die Fusion der Paul-Gerhardt-Gemeinde mit der Neustädter Marien-Kirchengemeinde Bestand habe. Die Fusion sei zunächst mit großen Hoffnungen verbunden gewesen, doch inzwischen habe sie sich als feindliche Übernahme herausgestellt. Der Besetzung der Kirche gewinnt Geller aber auch Positives ab: „So gut bewacht wie jetzt war die Kirche noch nie.“