Sampling mit Schubladen

DESIGN VON NEBENAN (IV) Per Schumann arrangiert alte Schubladen zu kunstvollen Möbelgebilden

Der Haufen antiker bis knalliger Schubladen mit neuer Rahmung zählt zu einem Klassiker aus dem Repertoire des Möbeldesigners Per Schumann. Gebaut als Einzelanfertigung, besteht das Möbelstück aus einigen alten Bauernschubladen, die er von einem Trödler auf dem Lande erstanden hat. „Die schwarze habe ich selbst im Hamburger Schanzenviertel auf der Straße gefunden“, erinnert sich Schumann. Vom Orangensaft-gelben Schubfach finden sich noch weitere Ableger in seinem Laden in der Eulenstraße im Hamburger Stadtteil Ottensen.

Nicht immer drehte sich bei Schumann alles um Schubladen. „Anfangs war es die Idee, dass Leute ihre Tischplatte, die noch im Keller liegt, zu mir bringen und ich mache einen Tisch daraus.“ Daher rührt auch der Name des Ladens: Entwurf-Direkt. Schumann, der freie Kunst studierte und nebenbei Möbel baute, wollte eigentlich nicht in den Designbereich. Dann aber wurden die an Readymade-Kunst angelehnten Schubladen-Möbel zum Renner.

Künstlerisch sieht sich Schumann aber weniger von Duchamp als von Beuys und den Künstlern der Arte Povera beeinflusst. Letztere haben in den 60er und 70er Jahren in der Materialität besondere Qualitäten entdeckt. Der italienische Maler und Objektkünstler Michelangelo Pistoletto etwa, der mit Kleiderhaufen Objekte bildete.

Für seine Schubladenhaufen stellt Schumann stets verschiedene Schubfachtypen zusammen. Jede einzelne, ob aus den 60ern oder von 1900, soll dabei ihre kleinen Geschichten erzählen. „Ihre Schönheit“, sinniert Schumann, „besteht darin, dass sie schon ein ganzes Leben hinter sich und bereits einmal etwas verkörpert haben.“

Die Ansammlung verschiedener historischer Elemente spielt aber auch auf die Kunst der 80er Jahre an. Aus den Schubladen ergibt sich die Ordnung des Möbelstücks wie eine Art postmoderne Mixästhetik. Das habe Ähnlichkeiten mit einem Rap-Stück, das aus alten Platten gesampelt wird, sagt Schumann. „Wie die Musik waren die alten Schubladen bereits da, werden aber neu zusammengesteckt.“

Manchmal entdeckt er sie in einem Container, ein Flohmarkthändler legt sie für ihn beiseite und es kommt auch vor, dass Leute übrig gebliebene Schubladen ausgedienter Möbel einfach vor seine Tür stellen. Selbst auf Reisen ist Schumann versucht, besondere Fundstücke zu ergattern, wenn sie denn in den Koffer passen. Von zwei kleinen Schubladen, die er einmal in New York gefunden hat, konnte er sich nicht so recht trennen. Die hat er dann für den Nachtschrank seiner Freundin verbaut.

Was seine Kundschaft anbelangt, hat Schumann die Umstrukturierung und Aufwertung des einstigen Fabrik- und Arbeiterviertels durchaus in die Hände gespielt. Denn in den 10 Jahren, in denen er seinen Laden in Ottensen hat, hat sich vieles verändert. „Mittlerweile ist der Laden angenommen worden“, konstatiert Schumann, „und es kommen immer mehr Leute, die die Möbel kaufen und dafür auch etwas mehr Geld bezahlen können.“ Zurzeit kommen viele junge Eltern und kaufen bei ihm kleine Wickelkommoden für ihren Nachwuchs.

Neben dem Hamburger Laden ist er in Berlin seit 2007 Mitbetreiber des Gartenstudios, einer kleinen Off-Galerie, zur temporären Nischennutzung. Inmitten von Kräutern kommen hier Leute für Ausstellungen, Kochaktionen und Lesungen zusammen. Das Gesellige liegt Per Schumann am Herzen. Auch im Ottensener Laden gibt es neben den recht kostspieligen Möbeln – kleine Kommoden kosten 1.400 Euro, große 2.400 Euro und kleine Nachtschränkchen gibt es für 340 Euro – Vorträge, Lesungen, Kochperformances und, ganz familienfreundlich, eine Kochschule für Kinder. LKA

Infos unter: www.entwurf-direkt.de