Eine Provokation

GESCHLECHTERFORSCHUNG Antrittsvorlesung von Leila Papoli Yazdi an der Freien Universität

Wenn man „Deutsche Frauen“ googelt, findet man lauter halbnackte Blondinen. Wenn man „Iranische Frauen“ googelt, sind es Bilder von schwarz gekleideten Demonstrantinnen. Solche Klischees wollte Leila Papoli Yazdi am Dienstag mit ihrer Antrittsvorlesung als Gastprofessorin für Geschlechterforschung an der FU auflösen.

Ihre türkise Tunika und die rote Brille sind Teil ihrer Performance, genau wie ihr etwa zehnjähriger Sohn, der mit auf der Bühne sitzt. Zugleich ist die Performance Teil ihres Lebens, denn Papoli versteht sich samt Körper als Forschungsprojekt. „My Body, A Female One, and Not Dressed in Black: An Iranian Archeologist Abroad“, so der Vorlesungstitel. Damit verstößt sie gegen ziemlich viele Regeln auf einmal. Sie bricht sämtliche Erwartungen, indem sie als ganz normale Frau, Forscherin und Mutter auftritt.

Auch die Regeln der Powerpoint-Präsentation ändert sie ab. Sie überflutet das Publikum mit Bildern von Nomaden, Büchern und Statistiken. Heute sind mehr Menschen alphabetisiert. Dafür arbeiten viel weniger Frauen als in den Sechzigern. Und bis heute sind nur 23 Prozent aller Studierenden im Iran weiblich. Weitere Klicks zeigen Fotos von Frauen mit Waffen, von Frauen in bunten Schleiern – und private Bilder: Papoli zeigt sich bei den Ausgrabungen, beim Lesen, als Kind, mit Sohn.

All das ist Teil ihrer Strategie. Papoli ist Archäologin, sie gräbt sich Schicht für Schicht in die Vergangenheit. Genauso verfährt sie mit ihrer eigenen Person und erzählt ihre Geschichte rückwärts. Bevor sie nach Berlin kam, litt Papoli unter Berufsverbot und musste zu Hause arbeiten. Warum? Weil sie 2009 auf dem Campus der Bu Ali Sina University in Hamadan einen geheimen unterirdischen Raum entdeckte, der in den Siebzigern als Gefängnis gedient hatte. „Also habe ich meinen Job verloren“, sagt Papoli. Schon mit 23 hatte sie an Universitäten gelehrt, in ihrer akademischen Familie war das normal. Geboren ist sie in Paris.

Dann geht es immer tiefer hinein in die Geschichte des Iran. Sie erzählt vom Kopftuchzwang von 1985 unter Ajatollah Chomeini und von Reza Schah, der den weiblichen Körper 1940 mit dem Kopftuchverbot genauso homogenisieren wollte. Mit den vielen Bildern von unterschiedlichen Schleiern widerlegt die Professorin diese Propaganda. Im Iran leben Turkmeninnen, Armenierinnen, Jüdinnen, arabische Nomadinnen ohne Schleier, und je nach Minderheit gelten verschiedene Regeln in der Kleidung, im Leben, im Umgang.

Papoli ist ihre eigene Minderheit. Dieses Einfach-man-selbst-Sein – sogar im Iran und im akademischen Kontext – ist ziemlich selten. Und ziemlich provokant. CATARINA VON WEDEMEYER