50 Cent pro Gigabyte

GELD In Ungarn wird 2015 im Rahmen der Steuergesetze auch eine Internetsteuer eingeführt. Am Sonntag sind Proteste gegen Viktor Orbáns Regierung geplant

„Die Besteuerung des Internets ist eindeutig überflüssig, undurchdacht und schädlich“

VON RALF LEONHARD

Großdemonstrationen gegen die ungarische Regierung von Viktor Orbán organisieren ist nicht leicht. Für kommenden Sonntag kommt trotzdem eine große Protestveranstaltung zustande. Denn die Steuergesetze für 2015, die Wirtschaftsminister Mihály Varga Dienstag dem Parlament in Budapest vorlegte, enthalten auch eine Internetsteuer.

Die Steuer von 150 Forint (50 Cent) pro begonnenem Gigabyte Datentransfer soll Mehreinnahmen von 65 Millionen Forint in die Staatskassen bringen. Zu entrichten ist die Abgabe von den Providern, denen es, wie das Wochenmagazin HVG aufzeigt, nicht verboten ist, die Steuer auf den Verbraucher abzuwälzen. Schließlich wäre die Belastung für die Anbieter enorm, selbst wenn, wie von Fidesz-Sprechern beschwichtigend eingewandt, die Steuer gedeckelt werden sollte. HVG hat errechnet, dass das Smartphone einen Kleinverbraucher, der eine 5-Gigabyte-Flatrate von 10 Euro zahlt, monatlich 25 Prozent mehr kosten würde. Wer durchschnittlich 30 bis 50 GB pro Monat konsumiert, müsste das Dreifache des bisherigen Tarifs zahlen.

Je mehr der staatliche Würgegriff die traditionellen Medien auf Einheitskurs bringt, desto wichtiger werden die alternativen Onlinemedien.

So wurde binnen 24 Stunden die Facebook-Seite „Hunderttausend gegen die Internetsteuer“ von über 100.000 Usern aufgesucht. Viele von ihnen wollen sich am Sonntag um 18 Uhr auf dem József-Nádor-Platz in Budapest einfinden, um gegen gegen die „Internetadó“ zu protestieren. Laut ungarischen Bloggern ist der Widerstand partei- und lagerübergreifend.

„Die Besteuerung des Internets ist eindeutig überflüssig, undurchdacht und schädlich, denn sie vertieft die in Ungarn sowieso vorhandene digitale Kluft noch weiter und schneidet neue Nutzer vom Internet ab.“ Das ist nicht etwa ein Zitat aus dem Manifest der Demonstranten, sondern eine Stellungnahme der damaligen Oppositionspartei Fidesz zu ähnlichen Plänen der sozialliberalen Regierung im Jahre 2008. Die Onlinezeitung Pester Lloyd weist darauf hin, dass „das Finanzamt logischerweise auch unbeschränkten Zugang zu den Kunden- und Benutzerdaten“ benötige, auch wenn offiziell der Serviceanbieter als steuerpflichtig genannt wird.

Die Wichtigkeit der Internetmedien in Ungarn wird auch weiter zunehmen, wenn die neue Chefredakteurin für „Religion, Nationalitäten, Auslandsungarn und besondere Projekte“ der staatlichen Medienholding MTVA ihre Tätigkeit entfaltet. Die am 15. Oktober ernannte Journalistin Beatrix Siklósi wurde vor zehn Jahren aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen gefeuert, weil sie den britischen Historiker und Holocaustleugner David Irving ins Programm eingeladen hatte. Beim rechtsextremen Echo TV fand sie Aufnahme. Auf Facebook postet sie antisemitische oder rassistische Witze. Sie feiert auf ihrem Profil auch den Geburtstag des „Reichsverwesers“ und Hitler-Verbündeten Miklós Horthy und warnte vor einigen Jahren vor einem drohenden Angriff Israels. Weil Israel dem Iran einen Militärschlag androhte, forderte Siklósi die Ungarn auf, ihr „Heimatland“ zu verteidigen“, denn: „Israel kommt“. Auf die Anfrage des Magazins HVG, ob die Ernennung einer solchen Person nicht problematisch sei, antwortete die MTVA, Siklósi habe ihre neue Position ihrem Fachwissen und ihrer Kompetenz zu verdanken. Das verwundert nicht weiter, wenn man weiß, dass kürzlich der ehemalige Sprecher der faschistischen Jobbik, Dániel Papp, der sich durch die Fälschung eines Videos vom Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit einen Namen machte, zum neuen Content Director der MTVA bestellt wurde.