Dschihad-Aufrufe sind noch kein Terror

Bundesgerichtshof pfeift Generalbundesanwältin Harms zurück. Bloße Sympathiewerbung ist nicht mehr strafbar

FREIBURG taz ■ Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass bloße „Sympathiewerbung“ für al-Qaida oder allgemeine Aufrufe zum Dschihad (heiligen Krieg) nicht als Terrorismus strafbar sind. Strafbar sei aber weiterhin das Werben um neue Al-Qaida-Mitglieder und -Unterstützer. Der Iraker Ibrahim R., der von Generalbundesanwältin Monika Harms vor einem halben Jahr als erster „Cyber-Dschihadist“ präsentiert worden war, muss deshalb weiter in Haft bleiben.

Ibrahim R. hatte 2005 und 2006 in einem geschlossenen islamistischen Internet-Chatroom Reden von Al-Qaida-Größen wie Ussama Bin-Laden verbreitet. Darin wurde der heilige Krieg gegen die Ungläubigen ebenso rechtfertigt wie das Köpfen einzelner Geiseln. In 40 Fällen ist die Verbreitung solcher Reden dokumentiert. Im Oktober ließ ihn die Bundesanwaltschaft wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigungen al-Qaida im Irak verhaften. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Sein Anwalt Klaus Rüther räumt die Taten ein, hält sie jedoch für nicht strafbar (siehe taz vom 15. Mai).

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs erinnerte nun an eine teilweise Entschärfung des Antiterrorparagrafen 129a im Jahr 2003. Damals hatte Rot-Grün zur Stärkung der Meinungsfreiheit das Strafgesetzbuch so geändert, dass die bloße Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung nicht mehr strafbar ist.

Der Bundesgerichtshof hielt deshalb den von der Bundesanwaltschaft gewählten Weg, die Verbreitung der Reden als „Unterstützung“ einer Terrorgruppe zu verfolgen, für unzulässig. Das gelte „unabhängig davon, wie menschenverachtend die Werbung in ihrer Ausgestaltung und wie nützlich sie in ihrer Wirkung für die Organisation sein mag“, betonte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf.

Ibrahim R. muss aber weiter in U-Haft bleiben, denn die Werbung um Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung ist weiterhin strafbar. Der BGH legte nun zumindest einige der von Ibrahim R. verbreiteten Reden so aus, dass nicht nur allgemein für den Dschihad geworben wurde, sondern ganz konkret um Aktivitäten zur Unterstützung von al-Qaida. Mit dieser Auslegung dürfte auch Generalbundesanwältin Harms leben können. Sie bleibt für den Fall zuständig und steht nun auch nicht mit ganz leeren Händen da.

Anfang der Woche hatte Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Harms im taz-Interview vorgeworfen, sie unterlaufe die rot-grüne Neuregelung von 2003. Auch wenn militante G-8-Gegner als Terroristen verfolgt würden, missachte Generalbundesanwältin Harms den Willen des Gesetzgebers. „Da ich Frau Harms für eine gute Juristin halte, glaube ich nicht an einen Zufall“, sagte der Grünen-Abgeordnete, der 2003 mit der SPD die Neuregelung ausgehandelt hatte. CHRISTIAN RATH

Az.: AK 6707 – StB 3/07