Ruhrkampf um Reste der Steinkohle

Ex-Minister Müller sollte den Kohlekonzern RAG an die Börse führen – der Machtwechsel in NRW kam dazwischen

Jürgen Rüttgers fürchtet Ex-Wirtschaftsminister Müller als „Nebenkönig“ im Ruhrgebiet

DÜSSELDORF taz ■ Der Zeitplan stand, die Umsetzung schien nur noch reine Formsache: Der Essener RAG-Konzern sollte spätestens im Mai 2006 an die Börse. Werner Müller, Chef des ehemaligen Steinkohleunternehmens, ging im März 2005 mit seinen ehrgeizigen Plänen an die Öffentlichkeit. Die rot-grünen Regierungen im Bund und in NRW hatte er auf seiner Seite – bis zum 22. Mai desselben Jahres. In Düsseldorf ging an diesem Tag die 39-jährige Vorherrschaft der Sozialdemokratie zu Ende. Am Abend noch kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder Neuwahlen für den Herbst an. Die Börsenpläne standen auf wackeligen Beinen.

„Betriebswirtschaftliche Vernunft gibt es in allen Parteien“, hieß es damals aus dem Konzern. Der Börsengang sei in keiner Weise gefährdet. Doch wenige Tage nach dem Sieg von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen meldeten führende Christdemokraten erste Bedenken an. Die Pläne seien „zu riskant“ für den Bund, hieß es aus Berliner CDU-Kreisen. Der Kampf um die ehemalige Ruhrkohle AG war eröffnet. SPD und Gewerkschaft auf der einen, CDU und FDP auf der anderen Seite stritten fortan um die Macht über die ideologisch und wirtschaftlich schwergewichtige Ruhrpottfirma.

Größtes Hindernis auf dem Weg zum Börsengang der RAG war die ungewisse Zukunft der Steinkohle. Der so genannte „Weiße Bereich“ der RAG mit den Sparten Chemie, Energie und Immobilien ist für die Börse gedacht, der subventionierte „Schwarze Bereich“ der Kohle soll in eine Stiftung überführt werden, die für die „Ewigkeitskosten“ des Bergbaus – ökologische Folgeschäden und Soziallasten für die Kumpel – aufkommt. Das Geld hierfür soll der Kapitalmarkt liefern.

Nachdem sich Bund, Länder und RAG im Januar auf das Jahr 2018 als Enddatum für die jetzt noch acht Bergwerke an Rhein, Ruhr und Saar geeinigt hatten, gab es plötzlich Pläne für die völlige Zerschlagung der RAG. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will zudem Müller als Stiftungschef verhindern. Rüttgers hat Angst, dass mit dem Ex-Wirtschaftsminister ein „Nebenkönig“ im Ruhrgebiet heranwachsen könnte. Müller ist zwar nicht SPD-Mitglied, aber derzeit der wichtigste Gegenspieler des NRW-Landeschefs.