EDITORIAL
: Der IS geht uns alle an

Dschihadismus entsteht nicht aus dem Nichts. Es gibt Gründe, warum er so stark wurde

Selbstmordanschläge und Attentate von Dschihadisten: Noch vor wenigen Monaten schien es so, als habe sich die Welt damit arrangiert, dass in beängstigender Regelmäßigkeit Menschen auf diese Weise sterben. Anschläge in Afghanistan, Pakistan oder im arabischen Raum zählten zur traurigen Routine der Nachrichten – und vielen Europäern schienen diese Vorfälle von ihrer Lebenswirklichkeit weit entfernt zu sein.

Mit dem Vormarsch der terroristischen Miliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien hat sich die Situation radikal verändert, und das nicht nur in den betroffenen Ländern. In Deutschland aufgewachsene junge Muslime haben sich zu Hunderten dem IS angeschlossen. Einige von ihnen sprengten sich bei Selbstmordattentaten in die Luft und rissen Dutzende Menschen mit in den Tod. Manche sind nach Europa zurückgekehrt und werden dort von Sicherheitsbehörden als potenzielle Bedrohung eingestuft. Die Warnungen vor Anschlägen sind leider keine Panikmache: Der Attentäter auf das Jüdische Museum in Brüssel vor einigen Wochen kam aus den Reihen des IS.

Doch ungleich bedrohlicher ist, was sich derzeit in Syrien und im Irak abspielt. Egal ob Muslim, Jeside oder Christ, Kurde oder Araber: Der Islamische Staat geht mit äußerster Brutalität gegen alle Menschen vor, die sich seiner kruden Interpretation religiöser Vorschriften entziehen. Der IS steinigt, verkauft und vergewaltigt Frauen, Männer werden drangsaliert, geköpft oder erschossen. Die Gefahr eines Völkermords an den Jesiden im Irak ist noch nicht gebannt. Die Unmenschlichkeit des IS widerspricht sämtlichen zivilisatorischen Werten.

Die taz will mit ihrem heutigen Dossier vor allem zwei Fragen beantworten. Zum einen geht es darum nachzuzeichnen, woher dieser Dschihadismus kommt, wieso er so stark werden konnte und welcher Methoden sich seine Anhänger bedienen. Zum anderen diskutieren wir über Möglichkeiten, was man gegen den IS unternehmen kann. Dazu haben wir Stimmen aus der Region gesammelt, aber auch taz-Autoren um ihre Meinung gebeten.

Es gibt keine einfachen Antworten auf das, was gerade im Nahen Osten passiert, aber auch in manchen deutschen Familien. Was wir tun können, ist, die Diskussion über Lösungen zu befördern.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. K. HILLENBRAND, I. KAPPERT, B. SEEL