Autowerkstätten schütteln Tarifvertrag ab

Mit einem Aktionstag protestierte die IG Metall gestern gegen die geplante Tarifflucht des Kfz-Verbandes in Schleswig-Holstein. Die Kfz-Betriebe streben eine totale Deregulierung an und wollen dazu heute ihren Verband auflösen

Wer gestern in Schleswig-Holstein eine Autopanne hatte, konnte nicht immer auf schnelle Hilfe zählen: Rund eintausend Mitglieder der IG Metaller befanden sich nämlich nicht an ihren Arbeitsplätzen in den Autowerkstätten, sondern waren dem Aufruf der IG Metall zum Ausstand gefolgt, um die „Tarifflucht“ ihrer Betriebe zu stoppen. In Autokorsi fuhren sie zu Kundgebungen in Flensburg, Rendsburg, Kiel, Husum, Nortorf, Lübeck, Neumünster, Elmshorn und Trittau. „Die Flächentarifverträge sollten von den Arbeitgebern nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden“, drohte der Handwerkssekretär und Verhandlungsführer der IG Metall Küste, Wolfgang Lorenz. „Wer dem Verhandlungspartner den Stuhl vor die Tür stellt, löst keine Probleme, sondern schafft welche.“

In dem Konflikt geht es nicht um eine klassische Tarifforderung, sondern um das Ziel der Arbeitgeber, die gesamte Tarifstruktur für die 1.250 Kfz-Betriebe mit kapp 15.000 Beschäftigten im Norden zu deregulieren. Der „Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein“ will nämlich heute auf einer Delegiertenversammlung seine Umstrukturierung beschließen, die Tarifhoheit aufgeben und sämtliche gültigen Tarifverträge kündigen. Danach wird er sich als „Verband ohne Tarifbindung“ neu konstituieren und parallel einen „Verein Tarifgemeinschaft“ gründen für diejenigen Betriebe, die weiterhin lieber nach Tarifverträgen arbeiten möchten.

Damit will der schleswig-holsteinische Kfz-Verband eine Vorgabe des „Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes“ umsetzen, sich aus der Tarifbindung zu verabschieden. „Vorteil des Modells ist es“, heißt es in einem Papier des Zentralverbandes, dass „die Struktur im Kraftfahrzeuggewerbe unangetastet“ bleibe. Es sei den Betrieben weiterhin möglich, Mitglied der örtlichen Kfz-Innungen zu bleiben, „auch wenn sie sich ihrer Tarifbindung entledigen wollen“.

Die IG Metall Küste wollte mit dem gestrigen Aktionstag diesen Weg noch durchkreuzen. „Setzen die Arbeitgeber ihre Planung um“, so Lorenz, „ist damit Arbeitgeberwillkür Tür und Tor geöffnet.“ Die Metallgewerkschaft kündigte an, mit dem „Verein Tarifgemeinschaft“ keine „Placeboflächentarifverträge“ abzuschließen. Erfahrungen in Niedersachsen und im Osten hätten gezeigt, dass dann nur eine sehr geringe Anzahl der Beschäftigten von den Tarifverträgen erfasst würden, weil nur wenige Betriebe Mitglieder dieses Vereins geworden seien.

Statt dessen strebt die IG Metall im Norden dann den „Häuserkampf“ an: „Wir werden vielmehr in den Betrieben zu Verhandlungen über Haustarife aufrufen“, sagt Lorenz. Dabei verweist die IG Metall auf den jüngsten Erfolg im Rellinger Mercedes-Benz-Nutzfahrzeugbetrieb Paul Zukowsky (Kreis Pinneberg). Mit einem Warnstreik gestern berichtete,und der Bereitschaft zum Arbeitskampf bei der Urabstimmung hatten die knapp 30 Beschäftigten nicht nur die geplante Tarifflucht verhindert, sondern für fünf Betriebe der ganzen Burmester-Gruppe in der Unterelberegion, zu der Zukowsky gehört, einen „Anerkennungs-Haustarifvertrag“ durchgesetzt. MAGDA SCHNEIDER